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Bundesbankvorstand: Bargeldloses Bezahlen wird langsam akzeptiert

Faceclub-Event in Berlin

Schweden ist, da sind sich Experten einig, auf dem besten Weg, die erste bargeldlose Gesellschaft zu werden. In dem skandinavischen Staat werden laut der schwedischen Zentralbank, der Riksbank, weniger als 20 Prozent der Einkäufe in Geschäften mit Bargeld bezahlt, im gesamten Zahlungsverkehr sind es nur noch 2 Prozent. Hierzulande werden laut Dr. Johannes Beermann, Mitglied des Bundesbankvorstands, immer noch 74 Prozent der Bezahlvorgänge des täglichen Lebens an der Supermarktkasse oder im Restaurant bar abgewickelt.

Beim bereits dritten Faceclub-Event im Hotel Regent in Berlin lieferte Dr. Beermann auch gleich die Begründung: “Die Deutschen lieben das Bargeld. Fast 90 Prozent der Bevölkerung kann sich ein Leben ohne Bargeld nicht vorstellen. Bargeld ist einfach, man hat es in der Tasche, kann es mitnehmen, es ist überschaubar, vom Kind bis zum alten Menschen kann man es benutzen. Man gibt keine Daten ab”, sagte er im Gespräch mit “Welt TV”-Moderator Dietmar Deffner.

Und die meisten der anwesenden Gäste aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft bestätigten diese Einschätzung. Ex-HSV-Manager, Unternehmer und Kunstsammler Jürgen Hunke (76) zahlt “zu 99 Prozent immer in bar. Ich will das auch aus Prinzip nicht anders und versuche auch so wenig wie möglich mit Karten oder Handy zu bezahlen. Ich war ohne Handy im Urlaub und habe auf meine Mailbox gesprochen: ‘Mein Handy und ich sind im Urlaub, in 4,5 Wochen bin ich wieder da.’ Das war ähnlich schwer wie mit dem Bargeld, aber es geht, man muss es nur wollen.”

Ähnlich sieht es Dr. Axel Munz, Inhaber von Angermaier Trachten und Manager bei der Motorpresse: “Bargeldloses Zahlen ist überhaupt nichts für mich, da ich sehr gerne Bargeld in der Tasche habe. Zu wissen, das kann ich mir leisten oder nicht, das habe ich jetzt dabei – das ist wichtig. Ich hätte auch Angst, falls beim bargeldlosen Bezahlen mal das System zusammenbricht, nicht mal die Breze in der Bäckerei bezahlen zu können. Und ich möchte auch nicht so transparent sein, dass jeder weiß, was ich ausgebe.”

Allerdings gibt es auch andere Meinungen: Immerhin 66 Prozent der Deutschen ärgern sich laut einer aktuellen Umfrage des ITK-Branchenverbands Bitkom darüber, wenn sie nicht mit Karte oder Smartphone bezahlen können, 58 Prozent wünschen sich eine verpflichtende bargeldlose Bezahlmöglichkeit in jedem Geschäft – und ganze 44 Prozent wären sogar bereit, komplett auf Bargeld zu verzichten.

Diese Entwicklung liegt vor allem an den immer vielfältigeren Möglichkeiten des bargeldlosen Bezahlens – sowie dem stark wachsenden Onlinehandel. So können Nutzer in Deutschland seit 2018 mit Google Pay und Apple Pay ihr Smartphone oder ihre Smartwatch in eine Geldbörse verwandeln. Die Dienste funktionieren wie Kredit- oder Debitkarten, die Übertragungstechnik NFC (Near Field Communication) macht kontaktlose Übertragung der Bezahldaten über Strecken von wenigen Zentimetern möglich. Das Smartphone wird dafür nur an ein kompatibles Kassenterminal gehalten, um zu bezahlen.

Beim Online-Handel sind die Zahlungsmöglichkeiten ohnehin schon deutlich umfangreicher – und allesamt bargeldlos. Zwar ist nach der aktuellen “ECC-Payment-Studie” hier der klassische Einkauf auf Rechnung immer noch führend, aber der digitale Bezahldienstleister Paypal liegt schon auf Platz 2. Diesen Trend bestätigt auch die Online-Parfümerie Point-Rouge, die sich ebenfalls als Partner auf dem Event präsentierte. Spannend für solche Online-Shops – aber auch für deren Kunden – ist ein weiterer Zahlungstrend: Instant Payments. Diese Möglichkeit, in Echtzeit per SEPA Geld zu überweisen, ist mittlerweile schon bei 1.000 Banken im Euro-Raum verfügbar oder in Planung, in Deutschland zum Beispiel bei der Hypovereinsbank, der Deutschen Bank, den Sparkassen, sowie den Volks- und Raiffeisenbanken.

Während diese Bezahlmöglichkeiten jedoch erst von wenigen genutzt werden, gewinnt die gute alte EC-Karte durch den neuerdings integrierten NCF-Chip an Beliebtheit. Laut Zahlen der Deutschen Kreditwirtschaft waren bereits über 22 Prozent der ohnehin steigenden Anzahl an Zahlungen kontaktlos – gleichzeitig sank aber die Höhe des durchschnittlichen Einkaufswertes, was bedeutet, dass die Kunden immer öfter kleinere Beträge, zum Beispiel in Bäckereien, mit der Girokarte bezahlen.

Auch Prinz Eduard von Anhalt (77), der wie viele im VIP-Shuttle von Partner Porsche zum Event kam, zahlt am liebsten mit Karte – “auch wenn die Überwachung hier zu groß ist, aber ich möchte nicht so viel Bargeld mit mir herumtragen”. Trotzdem habe er immer etwas Geld in der Tasche, um es oft und gerne Obdachlosen zu geben.

Evelyn Bresser, Ehefrau von Ex-ZDF-Chefredakteur Klaus Bresser, denkt vor allem an die jüngere Generation: “Man wird sich dran gewöhnen müssen, wir tun es ja schon in weiten Teilen, aber ob man jetzt so ganz und gar auf Bargeld verzichten soll, ist mir irgendwie noch unheimlich.” In Bezug auf Taschengeld für Kinder meinte sie: “Das ist dann eine Taschenkarte, auf der 10, 20, 30 Euro draufstehen und das Kind kann dann irgendwie damit zahlen. Spannend!”

Unter den geladenen Gästen der Veranstaltung waren auch Mittelstandspräsident Mario Ohoven, Thomas Ellerbeck von TUI, Jörg Büttner von Köln Flocken und Moderation Carola Ferstl.

(spot)

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