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Britischer Gesundheitsminister tritt nach Verstoß gegen Corona-Regeln zurück

Hancock hatte trotz Abstandsregeln Mitarbeiterin im Ministerium geküsst

Der britische Gesundheitsminister Matt Hancock ist zurückgetreten. Hancock begründete seinen Rücktritt am Samstag in einem Schreiben an Premierminister Boris Johnson mit einem Verstoß gegen die von seiner Regierung verhängten Corona-Regeln. Britische Medien hatten zuvor über eine Affäre des Ministers mit einer engen Mitarbeiterin berichtet. Die "Sun" veröffentlichte ein Bild einer Überwachungskamera vom 6. Mai, auf dem Hancock die Frau in seinem Ministerium küsst. Damals galten in England noch Kontaktbeschränkungen und Abstandsregeln.

Hancock, der sich am Freitag bereits öffentlich entschuldigt hatte, schrieb in seinem Brief an Johnson: "Wir sind es den Menschen, die in dieser Pandemie so viel geopfert haben, schuldig, ehrlich zu sein, wenn wir sie enttäuscht haben - wie ich es durch den Bruch der Regeln getan habe." Er wolle nicht, dass sein Privatleben vom Kampf gegen die Corona-Pandemie ablenke, fügte Hancock hinzu.

Johnson erklärte, er bedauere Hancocks Rücktrittsgesuch. Hancock könne "ungeheuer stolz" auf die von ihm geleistete Arbeit sein, fügte der Premierminister hinzu. Er hob insbesondere Hancocks Verdienste für die erfolgreiche britische Impfkampagne hervor.

Am Freitag hatte Johnson sich noch hinter seinen Minister gestellt. Der Premierminister habe die Entschuldigung angenommen und betrachte die Angelegenheit damit als erledigt, hatte sein Sprecher gesagt.

Die oppositionelle Labour-Partei hatte Hancocks Rücktritt gefordert und zudem eine Untersuchung zur Einstellung der Hancock-Mitarbeiterin Gina Coladangelo gefordert, die früher als Lobbyistin gearbeitet hatte und dann in Hancocks Beraterteam wechselte. Hancock und Coladangelo kennen sich aus dem Studium und sind beide verheiratet.

Labour-Chef Keir Starmer schrieb am Samstag im Onlinedienst Twitter, Hancocks Rücktritt sei richtig, Johnson "hätte ihn aber entlassen sollen".

Hancock war als Gesundheitsminister maßgeblich für den Kampf gegen die Corona-Pandemie und das britische Impfprogramm verantwortlich. Zuletzt war er durch Enthüllungen von Johnsons Ex-Berater Dominic Cummings stark unter Druck geraten. Cummings hatte Mitte Juni Chat-Protokolle veröffentlicht, in denen Johnson sich über seinen "hoffnungslosen" Gesundheitsminister beschwerte.

Den Protokollen zufolge machte Johnson zu Beginn der Pandemie unter anderem für den Mangel an Beatmungsgeräten verantwortlich. "Es ist Hancock. Er ist hoffnungslos", schrieb der Premier demnach per Whatsapp-Nachricht an seinen damaligen Berater Cummings.

Zuvor war Hancock bereits wegen der Vergabe eines Auftrags an einen Freund unter Druck geraten. Außerdem wurde bekannt, dass Hancock an einem Unternehmen seiner Familie beteiligt ist, das in der Corona-Pandemie ebenfalls einen Auftrag erhielt.

In Großbritannien waren die Infektionszahlen wegen der sich rasch ausbreiteten Delta-Variante zuletzt wieder stark angestiegen. Die Regierung hatte die für den 21. Juni geplante Aufhebung aller Corona-Maßnahmen in England deshalb um vier Wochen verschoben.

by Von Martine PAUWELS