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Boris Johnson: Machen ihn seine Gene zur Skandalnudel?

Bunte Familiengeschichte

Die einen sagen so, die anderen so. Die meisten Weggefährten erzählen vom britischen Premierminister Boris Johnson (55), er sei als Mensch von äußerst angenehmer und unterhaltsamer Natur. Die anderen schreckt er vollkommen ab, sie halten ihn schlichtweg für einen gefährlichen Irren. So ziemlich die einzigen Leute, die Johnson für einen netten Kerl hielten, seien diejenigen, die ihn nicht kennen, sagte sein früherer Chefredakteur beim “Daily Telegraph”, Max Hastings (73), im “Guardian”.

Boris Johnson, so scheint es, entzweit mit seinem wahrhaft sprunghaften Charakter das gesamte Land. Vielleicht kann er ja gar nicht anders, falls das alte Sprichwort, wonach ein Apfel nie weit vom Stamm falle, tatsächlich stimmen sollte.

Freunde behaupten, sein unberechenbares Wesen sei nichts anderes als ein genetisches Erbe. Da könnte was dran sein. Vater Stanley Johnson (79) ist eigentlich als “Remainer” durch Großbritannien gezogen und wollte den Brexit, den sein Sohn immerhin mit initiiert hat, auf jeden Fall verhindern. Heute hält der Herr Papa ein Schild hoch: “Ich unterstütze Boris.”

Dieser immer noch ziemlich blonde Stanley Johnson ist wie der Sohn eine schillernde Figur. Er hatte Jobs bei der Weltbank, der Europäischen Kommission und saß fünf Jahre als konservativer Abgeordneter im Europaparlament. Zudem hat er zahlreiche Bücher verfasst, darunter einige Romane. Man sagt von ihm, dass er ein glänzender Entertainer sei und für einen guten Witz oder eine gelungene Pointe die eigene Großmutter verkaufen würde.

Er gilt als engagierter Umweltschützer, ging 2017 ins britische Dschungelcamp und befand, dass ihm das Essen dort viel mehr beim Abnehmen helfe als jede Magenoperation. Die Kakerlaken-Diät hatte ihn allerdings derart mitgenommen, dass er bei seiner Rückkehr aus dem Camp in der Show “Good Morning Britain” fragte: “Ist Boris noch Premierminister, Entschuldigung: Ist er noch Außenminister? Ich hoffe, er ist es.” Man kann getrost davon ausgehen, dass dieser Versprecher keiner war, sondern ein Hinweis auf eine glänzende Zukunft des Sohnemanns…

Das Leben des Boris Johnson, der in New York City geboren wurde, und die Geschichte seiner Familie sind bunt. Sein voller Name lautet Alexander Boris de Pfeffel Johnson und geht zurück auf die deutschen Vorfahren von Pfeffel. Durch das Haus Württemberg ist Johnson auch ein entfernter Verwandter von Queen Elizabeth II. (93), wie in der BBC-Show “Who Do You Think You Are?” einst herauskam.

Johnson hat auch türkische Vorfahren. Sein Urgroßvater Ali Kemal war 1919 kurz Innenminister des Osmanischen Reiches und wurde 1922 von einem Mob gelyncht. Dessen Sohn Osman Ali floh daraufhin nach London und nahm den Namen “Wilfred Johnson” an – der Großvater von Boris Johnson, der übrigens während seines Wahlkampfs zum Bürgermeisteramt vom polyglotten London mit seiner türkischen Abstammung geworben hat.

Vater Stanley Johnson hat vier Kinder: Boris, Rachel, Jo und Leo. Rachel, die einzige Tochter, ist Journalistin und Kolumnistin. Sie nahm 2018 an der englischen “Big Brother”-Show teil und ist eine bekannte Brexit-Gegnerin. In einem ARD-Interview wünschte sie ihrem Bruder Boris trotzdem alles Gute: “In der Johnson-Familie haben wir immer jedem Raum gegeben, die eigenen Dinge zu tun. Wir kritisieren uns niemals gegenseitig.”

Der jüngste Bruder Jo Johnson (47) ist ein ruhiger, für Johnson-Verhältnisse fast schüchterner Mann. Er ist seit 2010 Tory-Abgeordneter und war Staatsminister für Energie, danach im Kabinett von Boris Johnson Staatsminister für Universitäten und Wissenschaft. Keine sechs Wochen nach dem Regierungsantritt des älteren Bruders trat er am 5. September 2019 von seinen Regierungs- und Parteiämtern zurück. Die offizielle Begründung: Angesichts der Brexit-Politik fühle er sich “zerrissen zwischen Loyalität zur Familie und nationalem Interesse”. Künftig wolle er sich “als Hinterbänkler dafür einsetzen, dass das Land noch einmal inne hält und reflektiert, bevor wir etwas unwiderruflich Dummes tun.”

Das klingt so ganz anders als die markigen Boris-Sprüche. Al, wie ihn die Familie nach seinem ersten Vornamen Alexander nennt, hatte angeblich bereits als Kind einen großen Wunsch: Er wollte König der Welt werden. Dieses Ziel muss auch die Frauen, mit denen er bislang zu tun hatte, fasziniert haben, auch wenn die meisten dieser Geschichten ein eher schales Ende hatten.

1987 heiratete er Allegra Mostyn-Owen, die während seines Philologie-Studiums in Oxford die Schönste seines Jahrgangs gewesen sein soll. Es gibt die Anekdote, er habe sich für die Trauung einen Anzug leihen müssen und den Ehering binnen weniger Stunden verloren. Die Ehe währte nur kurz, Scheidung 1993.

Im gleichen Jahr heiratete er die Anwältin Marina Wheeler, die er noch aus Kindheitstagen in Brüssel kannte. Die beiden wurden Eltern von vier Kindern. Lange hatte sie über seine vielen Eskapaden hinweggesehen. Doch dann kam die Beziehung zu Carrie Symonds und sie schmiss ihn raus.

Carrie Symonds ist 23 Jahre jünger als Johnson, und man sagte zeitweilig, dass sie einen großen Einfluss auf ihn habe. Jedenfalls war sein wirrer Schopf einer überwiegend ordentlichen Frisur gewichen. Am 25. Juni 2019 kam es im Haus des Paares allerdings zu einem Polizeieinsatz, weil ein besorgter Nachbar die Beamten um Hilfe gerufen hatte. Aus der Wohnung von Carrie Symonds, bei der Johnson eingezogen ist, habe er lauten Krach und Schreie gehört. Der Mann hat eine Tonaufnahme von dem Streit gemacht und sie dem “Guardian” zugespielt.

Es sei zu hören, so berichtet die Zeitung, wie sich “Bozzie Bear”, wie Carrie ihn in besseren Tagen genannt hat, weigere, das Apartment seiner Freundin zu verlassen, obwohl diese ihn mehrfach dazu aufgefordert habe. “Geh verdammt noch mal von meinem Laptop weg!”, schreit Symonds ihn demnach an. Danach ist ein Krachen zu hören, Symonds schreit Johnson erneut an, weil er offenbar Rotwein auf ihr Sofa verschüttet hat. “Dir ist alles egal, du bist so verwöhnt. Dich kümmert weder Geld noch sonst was! Raus hier! Verlass meine Wohnung!”

Vielleicht liegen die Schwierigkeiten mit dem anderen Geschlecht auch am Frauenbild von Boris Johnson. 2008 schrieb er als Journalist über Hillary Clinton im “Telegraph”: “Sie hat gefärbte blonde Haare und Schmolllippen, einen eiskalten, stahlblauen Blick, wie eine sadistische Krankenschwester in einer Irrenanstalt.”

Außerdem hat ihn “Sunday Times”-Kolumnistin Charlotte Edwardes jüngst bezichtigt, sie in seiner Zeit als Chefredakteur des konservativen “Spectator”-Magazins um die Jahrtausendwende begrapscht zu haben. Später habe sie erfahren, dass es einer anderen Frau ebenso ergangen sei.

Seine um ein Jahr jüngere Schwester Rachel soll der ARD einmal gesagt haben (allerdings erst als die Kameras und Mikros ausgeschaltet waren), dass es in der Familie Johnson eigentlich nur einen gebe, der das Zeug zum Premierminister habe: der jüngste Bruder Leo. Der sei ein unglaublich kluger Mensch. Doch Leo ist kein Politiker, er ist Manager bei den Wirtschaftsprüfern PWC.

Leo Johnson moderiert eine bekannte Radiosendung und twitterte, als sich Boris mal wieder über Burka-Trägerinnen lustig gemacht hatte: “Es wäre gut, wenn diese Runde wetteifernder religiöser Intoleranz enden würde.” Er ist mit einer Afghanin verheiratet. Schon vor Jahren hat Leo Johnson über die entscheidenden Unterschiede zum älteren Bruder Boris gesagt: “Ich bin nicht blond. Ich bin kein Tory. Ich wurde ohne das Gen für Selbstdarstellung geboren.”

(ln/spot)

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