Seit Beginn der Corona-Krise in Deutschland sind einer Umfrage zufolge mehr als zehn Millionen Beschäftigte ins Homeoffice gewechselt. Aktuell arbeitet jeder Vierte (25 Prozent) ausschließlich von zuhause aus, das sind 10,5 Millionen Menschen, weitere 20 Prozent tun dies zumindest teilweise, wie eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom ergab. Die Mehrheit der 1500 befragten Erwerbstätigen berichtet demnach von überwiegend positiven Erfahrungen - die größten Vorteile sind weniger Stress und mehr Zeit, weil der Arbeitsweg entfällt.
"Die Corona-Pandemie ist der Auslöser eines tiefgreifenden und nachhaltigen Wandels in der Arbeitswelt", erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg am Dienstag in Berlin. "Nach dem für die allermeisten erzwungenen Wechsel ins Homeoffice mit dem Lockdown im Frühjahr hat die große Mehrheit in den vergangenen Monaten überwiegend positive Erfahrungen gemacht."
Die Corona-Krise habe gezeigt, dass flexibles Arbeiten die Qualität der Arbeitsergebnisse nicht schmälert - im Gegenteil, betonte Berg. Unabhängig von Zeit und Ort zu arbeiten, könne allen Seiten Vorteile bringen. Das setze allerdings einen tiefgreifenden Kulturwandel in der Arbeitswelt voraus.
Vor der Corona-Pandemie war Homeoffice eher die Ausnahme. Lediglich drei Prozent der Berufstätigen (1,4 Millionen) arbeiteten ausschließlich im Homeoffice, weitere 15 Prozent (6,3 Millionen) teilweise, wie die Umfrage ergab. Grundsätzlich sieht demnach mehr als die Hälfte (55 Prozent) der Berufstätigen ihre Tätigkeit zumindest teilweise als Homeoffice-geeignet an. Jeder Fünfte (21 Prozent) könnte nach eigener Einschätzung sogar vollständig im Homeoffice arbeiten. 43 Prozent der Befragten sagten aber auch, für ihre Tätigkeit käme Homeoffice grundsätzlich nicht in Frage.
Bei den Vorteilen des Arbeitens von zuhause aus sagen laut Bitkom acht von zehn Berufstätigen im Homeoffice, sie empfänden weniger Stress, da der Arbeitsweg entfällt. Drei Viertel sehen den damit verbundenen Zeitgewinn positiv; sechs von zehn Homeoffice-Arbeitern bemerken eine generell bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Weitere Vorteile sind mehr zeitliche Flexibilität (43 Prozent), die Möglichkeit eines gesundheitsbewussteren Lebensstils etwa in Hinblick auf Sport und Ernährung (32 Prozent) und weniger Störungen durch Kollegen (28 Prozent).
Der fehlende persönliche Austausch ist andererseits der meistgenannte Nachteil des Homeoffice-Daseins. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) beklagt laut Umfrage weniger Kontakt mit Kollegen. Für jeden Fünften ist es auch ein Problem, weniger Kontakt mit Vorgesetzten zu haben. Als weitere Nachteile nennen die Befragten Schwierigkeiten, das Privatleben vom Job abzugrenzen, schlechtere Arbeitsbedingungen als im Büro und das Gefühl, von wichtigen Informationen abgeschnitten zu sein.
Wer nicht im Homeoffice arbeitet, obwohl er dies dürfte, nennt als Hauptgrund aber eine mangelhafte technische Infrastruktur. Jeder vierte Homeoffice-Verweigerer führt das auf eine zu langsame beziehungsweise zu fehleranfällige Internetverbindung zurück. Fast jeder Fünfte von ihnen nennt eine starke Präsenzkultur in seinem Unternehmen als Grund, jeder Siebte möchte Berufliches und Privates räumlich strikt trennen.
Unter denjenigen, die nicht im Homeoffice arbeiten dürfen, obwohl ihr Job dafür aus ihrer Sicht grundsätzlich geeignet ist, würden alle zumindest ab und zu von zuhause aus arbeiten - vier von zehn bei Bedarf, jeder Vierte einen Tag pro Woche, jeder Sechste auch mehrere Tage pro Woche.
Bitkom-Präsident Berg leitete aus der Umfrage mehrere Forderungen ab. Zum einen müsse der Wandel der Arbeitswelt nun politisch proaktiv flankiert und mit Anreizsystemen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterstützt werden. Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten klare Regeln vereinbaren, um Berufliches von Privatem im Homeoffice abgrenzen zu können.
Berg plädierte zudem dafür, dass der Staat nicht nur das Pendeln zum Arbeitsplatz, sondern künftig auch das Homeoffice steuerlich fördert. Der Staat müsse fiskalische Instrumente "bestmöglich einsetzen, um gesellschaftlich erwünschtes Verhalten anzuregen, also Verkehr zu reduzieren, verkehrsbedingte Emissionen zurückzufahren und - in Zeiten der Pandemie - soziale Kontakte zu vermeiden."
by NICOLAS ASFOURI