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Heute waren wir zeitweise vor allem verwundert. Denn kurz vor 10 Uhr landeten binnen Minuten zahlreiche Meldungen zu einem Artikel über die Deutsche Bahn im Postfach. Der „Deutschlandtakt“, der Pünktlichkeit garantieren soll, sei für 2070 geplant, hieß es dort ergänzend im letzten Absatz. Das müsse doch ein Tippfehler sein, beschwerte sich einer von mehreren Lesern, Herr Butter, und rechnete vor, dass er dann ja 115 Jahre alt sei!
Die enttäuschende Nachricht für Herrn Butter und andere Menschen: Es ist kein Tippfehler. 2070 – in Worten: zweitausendsiebzig – ist völlig korrekt. Die Bahn hatte dies vor ein paar Monaten bekannt gegeben, offenbar hat’s nicht jeder mitbekommen.
Auch im BILD-Newsroom nicht, wo sich plötzlich Nachdenklichkeit breit machte. Kopfrechnen war angesagt (nicht die größte Stärke von Journalisten) – und „ein Teil der Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern“: Wer heute knackige 40 ist, zählt dann nämlich greisenhafte 87 Lenze. Der aktuelle Bahnchef Richard Lutz wäre 106, hat den Zug ins Jenseits also längst bestiegen. Fast alle Kolleginnen und Kollegen am Digital-Desk wären 2070 im verdienten Ruhestand; allenfalls der junge Homepage-Grafiker Ahmed stünde gerade noch im Berufsleben (Rente mit 67!).
Verkehrsminister Wissing rechnet nicht so schnell mit einer pünktlichen Bahn.
Aber: Man soll natürlich auch an die nächsten Generationen denken. Wenn schon nicht unsere Kinder, dann kommen zumindest unsere ENKEL pünktlich von A nach B, vielleicht zu unserer Beerdigung.
Klingt alles sehr morbide? Ist es auch. Die „Trümmerfrauen“, die nach 1945 ein komplett zerstörtes Land innerhalb weniger Jahre aufbauten, drehen sich wahrscheinlich im Grab um, wenn sie mitbekommen, dass ihre Nachkommen etliche JAHRZEHNTE brauchen, um „einen bundesweiten Taktfahrplan“ einzurichten.
Schon skurril: Bei Öl- und Gasheizungen muss alles ganz schnell gehen, wegen Klima, beim ebenfalls klimarelevanten Bahnverkehr gibt sich der Staatskonzern selbst fast 50 (!) Jahre Zeit.
Ein Gedanke schoss uns noch durch den Kopf: Erleben wir zuerst die Kolonisierung des Mars oder die pünktliche Bahn? Die Wetten stehen eindeutig auf Mars.
Vielleicht sollten wir sicherheitshalber das Jahr 2100 als Deadline festlegen. Das wäre eine schöne, runde Zahl, leicht zu merken und nimmt auch ein wenig den unmenschlichen Druck raus, der jetzt auf den Konzern-Entscheidungsträgern lastet.
Denn 2070 kommt schneller, als man denkt! Im Gegensatz zur Bahn.