Nach den Stichwahlen für zwei Senatsposten im US-Bundesstaat Georgia steuert die Demokratische Partei auf eine Kongress-Mehrheit zu, die dem künftigen Präsidenten Joe Biden ein komfortables Regieren ermöglichen würde. In einer bislang noch nicht offiziell entschiedenen Abstimmung erklärte sich am Mittwoch der demokratische Kandidat Jon Ossoff zum Sieger. Zuvor hatte sich bereits der Demokrat Raphael Warnock laut Medienberichten in der zweiten Stichwahl durchgesetzt. In Washington protestierten derweil tausende Anhänger des scheidenden Präsidenten Donald Trump gegen die formelle Bestätigung von Bidens Wahlsieg.
Im traditionell konservativen Georgia hatte sich die Auszählung der Stimmen nach Schließung der Wahllokale rasch zu einer Zitterpartie entwickelt; in beiden Abstimmungen lagen die Kandidaten eng beieinander. In der besonders knappen Stichwahl zwischen dem 31-jährigen Ossoff und dem republikanischen Amtsinhaber David Perdue meldeten US-Medien zunächst keinen Sieger. Ossoff erklärte jedoch am Mittwoch, er habe die Wahl für sich entschieden.
In der Nacht zum Mittwoch hatten mehrere US-Sender bereits den Sieg des Demokraten Warnock in der Stichwahl gegen die republikanische Senatorin Kelly Loeffler verkündet. Der 51-jährige Pastor Warnock ist erst der dritte Afroamerikaner, der in einem südlichen US-Bundesstaat in den Senat gewählt wird. Loeffler räumte ihre Niederlage vorerst nicht ein. "Wir werden sicherstellen, dass jede Stimme gezählt wird", sagte sie vor Anhängern.
Sollte sich der von Ossoff reklamierte zweite Sieg bei den Stichwahlen bestätigen, hätten die Demokraten künftig die Oberhand im Senat. Da die Demokraten bereits im Repräsentantenhaus - der anderen Kongresskammer - die Mehrheit stellen, hätten sie bei Eroberung der beiden Senatsmandate von Georgia künftig die Kontrolle über den gesamten Kongress.
Vor den Stichwahlen hatten die Republikaner im neuen Senat 50 Sitze sicher, die Demokraten 48. Gewinnen die Demokraten in Georgia beide Sitze, entstünde zwar eine Patt-Situation. Dennoch wären die Demokraten dann im Vorteil, weil bei einem Patt die künftige Vizepräsidentin Kamala Harris, die kraft ihres Amtes auch Senatspräsidentin wird, mit ihrer Stimme den Ausschlag geben würde.
Die Kontrolle der Demokraten über den gesamten Kongress würde Biden das Regieren erheblich erleichtern. Behalten die Republikaner hingegen die Mehrheit im mächtigen Senat, können sie politische Vorhaben und Personalentscheidungen des künftigen Präsidenten blockieren. Biden löst Trump am 20. Januar im Weißen Haus ab.
Am Mittwochnachmittag (19.00 MEZ) stand in Washington die formelle Bestätigung des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl durch Repräsentantenhaus und Senat an. Normalerweise ist dies reine Formsache - diesmal kündigte jedoch ein Teil der republikanischen Parlamentarier Vorstöße zur Blockade der Wahl-Zertifizierung an. Diese Initiativen gelten als aussichtslos, könnten aber den Zeitplan durcheinander bringen.
Tausende Trump-Anhänger versammelten sich am Mttwoch in der Nähe des Weißen Hauses, um gegen die parlamentarische Bestätigung von Bidens Wahlsieg zu protestieren. "Sie haben unsere Wahl gestohlen", sagte die 61-jährige Demonstrantin Katherine Caldwell, die für die Demonstration aus dem Westküstenstaat Oregon angereist war und einen Cowboy-Hut mit der Aufschrift "Trump ist mein Präsident" trug.
Im Vorfeld wurden gewaltsame Ausschreitungen befürchtet, da sich auch Mitglieder rechtsradikaler Gruppen zu der Demonstration angekündigt hatten. Trump wollte bei der Veranstaltung eine Rede halten.
Zuvor hatte Trump den Druck auf seinen Vize Mike Pence erhöht, die Bestätigung Bidens zu blockieren. "Der Vizepräsident hat die Macht, betrügerisch erkorene Gewählte abzulehnen", behauptete Trump am Dienstag im Online-Dienst Twitter. "Wenn Vizepräsident Mike Pence sich für uns einsetzt, werden wir die Präsidentschaft gewinnen." Tatsächlich verfügt der Vizepräsident nicht über die Kompetenz, Wahlergebnisse abzulehnen.
Trump behauptet seit Wochen ohne Angabe von Beweisen, bei der Wahl habe es massiven Betrug gegeben. Dutzende von seinem Lager ausgegangene Anfechtungen der Wahl wurden von den Gerichten abgewiesen.
by Von Elodie CUZIN