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Biden verspricht Versöhnung der USA - Trump stemmt sich weiter gegen Niederlage

Amtsinhaber will am Montag seine Anwälte ausschwärmen lassen

Der Demokrat Joe Biden hat bei der US-Präsidentschaftswahl über Amtsinhaber Donald Trump gesiegt - dennoch wachsen die Sorgen, ob ein friedlicher Machtwechsel in Washington gelingen wird. Während der Wahlsieger am Samstagabend zur Einigung des tief gespaltenen Landes aufrief, verweigerte Trump das Eingeständnis seiner Niederlage und heizte die Stimmung unter seinen Anhängern mit immer neuen Wahlbetrugsvorwürfen an. Von Montag an sollen seine Anwälte vor sämtlichen Gerichten Einspruch gegen die Wahlergebnisse einlegen.

"Ich verspreche, ein Präsident zu sein, der nicht spalten, sondern vereinen will", sagte Biden bei seiner Siegesrede vor jubelnden Anhängern in seiner Heimatstadt Wilmington. Es sei an der Zeit, das Land zu "heilen", die "Ära der Verteufelung" müsse enden, hob er mit Blick auf die vierjährige Amtszeit Trumps hervor. "Wir müssen aufhören, unsere Gegner wie Feinde zu behandeln. Sie sind keine Feinde. Sie sind Amerikaner."

An Trumps Wähler appellierte der 77-Jährige, ihm als Präsident eine Chance zu geben. "Ich verstehe eure Enttäuschung. Ich habe selbst ein paar Mal verloren, aber lasst uns jetzt gegenseitig eine Chance geben", sagte Biden. Zuvor sprach seine künftige Stellvertreterin Kamala Harris und dankte den US-Wählern dafür, "einen neuen Tag für Amerika" eingeläutet zu haben. Harris wird die erste Frau auf dem Posten des US-Vizepräsidenten - und die erste Schwarze.

Biden war am Samstagvormittag nach einem beispiellosen Wahlkrimi zum Sieger der Präsidentschaftswahl vom Dienstag ausgerufen worden. Er gewann mindestens 279 der insgesamt 538 Wahlleute, die auf der Ebene der Bundesstaaten vergeben werden. Für einen Sieg brauchte er mindestens 270, Trump kam auf 214. In vielen Städten des Landes gingen tausende Menschen jubelnd auf die Straßen und feierten Bidens Sieg.

In einer in der US-Geschichte beispiellosen Volte weigerte sich Trump, seine Niederlage einzugestehen. Vor der Wahl hatte er gegen die vielerorts genutzte Briefwahl Stimmung gemacht, direkt am Wahlabend und in den Tagen danach prangerte er ohne Beweise angeblichen Wahlbetrug an. "Ich habe die Wahl gewonnen", behauptete der Präsident auch am Samstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Er habe 71 Millionen "legale Stimmen" erhalten, mehr als jeder andere amtierende US-Präsident vor ihm. Biden stelle sich "fälschlicherweise" als Sieger dar und werde dabei von seinen "Medien-Verbündeten" unterstützt.

Von Montag an sollen die Anwälte des Immobilienmilliardärs vor sämtlichen Gerichten Einspruch gegen die Wahlergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten einlegen. "Böse Dinge sind passiert, die unsere Beobachter nicht sehen durften", schrieb Trump, ohne seine Vorwürfe zu belegen. In verschiedenen US-Städten demonstrierten teils bewaffnete Trump-Anhänger gegen Wahlbetrug, es waren am Samstag aber nur kleinere Gruppen.

Die Erfolgsaussichten der Klagen gelten als gering. Auch in den eigenen Reihen ist Kritik am Vorgehen des Präsidenten laut geworden, weil er mit dem Wahlsystem einen der zentralen Pfeiler der US-Demokratie angreift. Der konservative US-Senator und Trump-Kritiker Mitt Romney gratulierte Biden am Samstag zum Sieg - und war damit der erste Parlamentarier aus dem Trump-Lager, der Bidens Wahlsieg anerkannte.

Die Amtszeit des rechtspopulistischen Präsidenten läuft noch bis zum 20. Januar. Dann soll Biden als neuer Präsident vereidigt werden. Der einstige Stellvertreter von Präsident Barack Obama wird nach vier turbulenten Trump-Jahren ein zutiefst gespaltenes Land übernehmen, das zudem von der Corona-Pandemie schwer getroffen ist. Trump gilt als einer der umstrittensten Präsidenten der US-Geschichte, seine Amtszeit wurde von zahlreichen Affären und Skandalen begleitet.

Für Montag kündigte Biden bereits die Bildung einer Expertengruppe im Kampf gegen die Corona-Pandemie an. Diese solle einen Plan entwerfen, der umgehend nach seinem Amtsantritt umgesetzt werden könne. Für Bidens Regierungsvorhaben wird viel davon abhängen, ob der mächtige US-Senat wie bisher von Trumps Republikanern kontrolliert wird. Bei der parallel abgehaltenen Kongresswahl blieb die Entscheidung im Senat offen und wird nun erst am 5. Januar in Stichwahlen fallen.

Aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Kanada sowie von der EU-Spitze und der Nato kamen nur kurze Zeit nach der Verkündung des Wahlsieges Glückwünsche für Biden - verbunden mit der Hoffnung auf eine enge Zusammenarbeit nach vier Jahren Differenzen und Affronts unter Trump.

by Von Peter HUTCHISON