Es ist offiziell: Der frühere US-Vizepräsident Joe Biden wird bei der Präsidentschaftswahl am 3. November Amtsinhaber Donald Trump herausfordern. Die oppositionellen Demokraten kürten Biden am Dienstagabend (Ortszeit) bei ihrem virtuellen Parteitag zum Präsidentschaftskandidaten. Prominente Unterstützung erhielt der 77-Jährige nicht nur von den demokratischen Ex-Präsidenten Jimmy Carter und Bill Clinton - auch der frühere republikanische Außenminister Colin Powell stellte sich hinter Biden.
Joseph R. Biden hatte sich im Vorwahlrennen der Demokraten durchgesetzt und stand seit April als Präsidentschaftskandidat der Partei fest. Beim wegen der Corona-Pandemie weitestgehend virtuell abgehaltenen Parteitag wurde er nun offiziell von den Delegierten mit großer Mehrheit zum Kandidaten gewählt. Zwar stand der linke Senator Bernie Sanders ebenfalls zur Wahl; Bidens Sieg galt aber als reine Formsache.
Der 77-Jährige dankte den Delegierten in einer Video-Live-Schalte "von tiefstem Herzen". "Das bedeutet mir und meiner Familie alles", sagte er. Der langjährige Senator wird am Donnerstag zum Abschluss des Parteitags von seinem Heimatstaat Delaware aus seine Nominierungsrede halten.
Bei der Abstimmung schalteten die Demokraten per Video in alle 57 Bundesstaaten und Territorien der USA. Beim sogenannten Roll Call wurde dann verkündet, wie viele Delegiertenstimmen an Biden und wieviele an Sanders gingen. Der Mitte-Politiker Biden war nach seinem Vorwahlerfolg auf das linke Parteilager zugegangen und hatte Vorschläge des progressiven Flügels übernommen, ohne grundsätzlich von seinem moderaten Kurs abzuweichen.
Ex-Präsident Carter warb am Dienstag in einer Audiobotschaft für Biden. "Joe hat die Erfahrung, die Charakterstärke und die Anständigkeit, uns zusammenzuführen und Amerikas Großartigkeit wieder herzustellen."
Ex-Präsident Clinton fuhr in einer Videobotschaft scharfe Attacken gegen Trump: "In Zeiten wie diesen sollte das Oval Office eine Kommandozentrale sein. Stattdessen ist es ein Unruheherd. Es herrscht nur Chaos." Wer einen Präsidenten wolle, der "seinen Job dadurch definiert, jeden Tag stundenlang fernzusehen und Leute in den sozialen Medien fertigzumachen", der müsse für Trump stimmen. Biden dagegen übernehme Verantwortung und werde das Land vereinen.
Für Überraschung sorgte eine Grußbotschaft von Ex-Außenminister Powell. "Wer ein starkes Amerika will, der will Joe Biden", sagte der Republikaner.
Biden hofft, bei der Präsidentschaftswahl viele von Trump enttäuschte Konservative für sich gewinnen zu können. Unterstützung bekam er am Dienstag dabei auch von der Witwe des verstorbenen republikanischen Senators John McCain: Sie sprach über die ungewöhnliche Freundschaft zwischen Biden und ihrem Mann, der als vehementer Gegner Trumps galt.
Höhepunkt des Abends war jedoch die Rede von Bidens Ehefrau Jill. Sie versprach, ihr Mann werde bei einem Wahlsieg Führungsstärke und Mitgefühl ins Weiße Haus bringen. Die 69-Jährige sprach über die Schicksalsschläge im Leben ihres Mannes, der durch einen Autounfall seine erste Frau und eine Tochter und durch Krankheit einen Sohn verloren hat.
"Wie bringt man eine gebrochene Familie wieder zusammen? Genauso, wie man eine Nation zusammenbringt: Mit Liebe und Verständnis und kleinen Gesten der Güte, mit Mut, mit unerschütterlichem Glauben", sagte die frühere Second Lady.
Vier Tage nach der Beerdigung seines 2015 an einem Hirntumor verstorbenen Sohns Beau habe Biden - damals Vizepräsident unter Barack Obama - "sich rasiert, seinen Anzug angezogen" und sei zurück zur Arbeit gegangen. "Manchmal konnte ich mir nicht erklären, wie er es machte - wie er einen Fuß vor den anderen setzte", sagte Jill Biden. "Aber ich habe immer verstanden, warum er es machte." Es sei ihm stets um das Wohl der US-Bürger gegangen.
Biden zieht gemeinsam mit der schwarzen Senatorin Kamala Harris als Vize-Kandidatin in den Wahlkampf gegen Trump. Harris wird am Mittwoch ihre Parteitagsrede halten. Sprechen werden außerdem Ex-Präsident Barack Obama und Ex-Außenministerin Hillary Clinton.
by Von Gabriela BHASKAR