Wenige Tage vor dem endgültigen Abzug ihrer Soldaten aus Afghanistan haben Attentäter den US-Streitkräften die schlimmsten Verluste seit zehn Jahren zugefügt. Bei zwei gewaltigen Explosionen am Flughafen von Kabul wurden 13 US-Soldaten und Dutzende weitere Menschen getötet. Zu dem Angriff bekannte sich die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). US-Präsident Joe Biden kündigte Vergeltung an.
Fast zeitgleich zu dem Doppelanschlag beendete die Bundeswehr ihre Evakuierungsflüge und brachte alle deutschen Einsatzkräfte aus dem Land. Der Abflug der letzten deutschen Maschinen fand unmittelbar nach den Explosionen statt. Auch Australien teilte mit, seinen Truppenabzug vor dem Angriff vollständig abgeschlossen zu haben. Weitere Anschläge seien "wahrscheinlich", hieß es aus dem Verteidigungsministerium in Canberra.
Zum Zeitpunkt der Explosionen warteten vor dem Flughafen Kabul tausende Menschen auf einen Platz in einem der letzten westlichen Evakuierungsflugzeuge. Die US-Armee sichert mit 5800 Soldaten das Flughafengelände und die Zugangstore. Deutsche seien nach bisherigen Informationen nicht unter den Opfern, sagte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD).
Ein Angriff wurde vor dem Flughafenzugang Abbey Gate verübt, ein weiterer am Baron Hotel in der Nähe, wie das US-Verteidigungsministerium mitteilte. 18 US-Soldaten seien verletzt worden. Die Taliban sprachen von bis zu 20 Todesopfern und mehr als 50 Verletzten. Nach Angaben eines Vertreter der gestürzten afghanischen Regierung wurden bis zu 60 Menschen bei dem Doppelanschlag getötet.
Der IS erklärte über sein Propaganda-Sprachrohr Amaq, ein Kämpfer des regionalen IS-Ablegers Provinz Chorasan (ISKP) habe alle Sicherheitsabsperrungen überwunden und sich US-Soldaten auf "nicht mehr als fünf Meter" nähern können. Er habe dann seine Sprengstoffweste detonieren lassen.
Der Chef des Zentralkommandos der US-Streitkräfte, General Kenneth McKenzie, sagte, die Soldaten hätten keine andere Möglichkeit gehabt, als sich den Menschen zu nähern, um deren Papiere zu überprüfen und sie nach gefährlichen Gegenständen zu durchsuchen, bevor sie auf das Rollfeld gelassen wurden. "Das können wir nicht mit Abstand machen", sagte McKenzie.
Für die USA ist es der schlimmste Angriff seit mehr als zehn Jahren. Am 6. August 2011 war ein Chinook-Hubschrauber in der afghanischen Provinz Wardak abgeschossen worden. Dabei wurden 30 US-Militärangehörige getötet. In den zwei Jahrzehnten des Einsatzes in Afghanistan starben insgesamt 1909 US-Soldaten bei Angriffen.
US-Präsident Biden kündigte Vergeltung gegen die Drahtzieher der Attacken in Kabul an. "Wir werden nicht vergeben. Wir werden nicht vergessen", sagte Biden im Weißen Haus. "Wir werden euch jagen und euch büßen lassen."
Das Weiße Haus ordnete an, dass die US-Fahnen am Präsidentensitz und auf allen öffentlichen Gebäuden und Militärstützpunkten auf halbmast gesetzt werden sollen. Ein Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Naftali Bennett wurde auf Freitag um 11.30 Uhr (17.30 Uhr MESZ) verlegt.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, Einzelheiten seien noch nicht bekannt, aber "Terroristen haben auf Menschen gezielt, die vor den Flughafentoren gewartet haben". Die Kanzlerin sagte eine für das Wochenende geplante Reise nach Israel ab.
Die USA und andere westliche Staaten hatten zuletzt eindringlich vor Anschlägen am Kabuler Flughafen gewarnt. Vom Flughafen aus läuft seit Tagen eine großangelegte Evakuierungsaktion, um Ausländer und gefährdete Afghanen nach der Machtübernahme der Taliban per Flugzeug in Sicherheit zu bringen. Bisher konnten nach US-Angaben mehr als 100.000 Menschen das Land auf diesem Weg verlassen.
Die Taliban verurteilten die Anschläge. "Das Islamische Emirat verurteilt den Bombenanschlag gegen Zivilisten am Kabuler Flughafen scharf", erklärte ein Taliban-Sprecher auf Twitter.
"Wir erwarten, dass diese Angriffe weitergehen werden", sagte US-General McKenzie. Die Vereinten Nationen kündigten ein Krisentreffen des UN-Sicherheitsrates zu Afghanistan für Montag an.
Wie Deutschland beendeten auch die Niederlande am Donnerstag ihre Rettungsflüge. Frankreich fliegt spätestens am Freitagmorgen zum letzten Mal zu Evakuierende aus.
by Von David FOX