Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Rechte von EU-Staaten bei Streitigkeiten mit Energiekonzernen gestärkt. In den Rechtsstreits der Niederlande mit RWE und Uniper und der Bundesrepublik mit dem irischen Investor Mainstream Renewable Power entschied er am Donnerstag in Karlsruhe zugunsten der beiden Länder. (Az. I ZB 43/22 u.a.)
Sie dürfen sich an nationale Gerichte wenden, wenn Unternehmen mit Sitz in der EU wegen Gesetzesänderungen ihre Investitionen geschädigt sehen und darum ein Schiedsgericht entscheiden lassen wollen.
Mainstream Renewable Power hatte in Deutschland in Solarenergie investiert und forderte von der Bundesrepublik 275 Millionen Euro plus 56 Millionen Euro Zinsen. Die Energieversorger RWE und Uniper mit Sitz in Deutschland hatten in den Niederlanden in Kohlekraftwerke investiert. Das Land beschloss aber den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030. RWE wollte 1,4 Milliarden Euro. Uniper forderte ursprünglich mehrere hundert Millionen. Nach der weitgehenden Verstaatlichung Ende vergangenen Jahres nahm es seine Forderung aber zurück.
Die Unternehmen wandten sich an eine Schiedsstelle, das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten in Washington. Grundlage dafür war der Energiecharta-Vertrag von 1998. Darin ist vereinbart, dass Streitfälle zwischen Investoren und Staaten von Schiedsstellen geklärt werden sollen. Der völkerrechtliche Vertrag sollte ursprünglich nach dem Ende der Sowjetunion Investitionen in Osteuropa schützen. Inzwischen ist er stark umstritten.
Mehrere EU-Länder, darunter Deutschland und die Niederlande, bereiten ihren Austritt vor. Die EU-Kommission schlug Anfang des Monats sogar den Austritt der gesamten EU aus der Energiecharta vor. Die Bestimmungen für Investitionen gelten allerdings auch nach einem Austritt noch 20 Jahre lang weiter. Deshalb blieben die am BGH vorliegenden Fälle aktuell.
Nachdem die Unternehmen sich an die Schiedsstelle gewandt hatten, zogen die beiden Länder vor deutsche Gerichte. Sie wollten die Schiedsverfahren für unzulässig erklären lassen. Über die Zulässigkeit der Schiedsklage von Mainstream Renewable gegen die Bundesrepublik hatte das Berliner Kammergericht zu entscheiden. Es gab dem Unternehmen recht. Diesen Beschluss hob der BGH nun auf und erklärte das eingeleitete Schiedsverfahren für unzulässig.
Für die Fälle der in Nordrhein-Westfalen ansässigen Unternehmen RWE und Uniper war zunächst das Oberlandesgericht Köln zuständig, das den Niederlanden recht gab und die Schiedsverfahren für unzulässig erklärte. Diese Entscheidung bestätigte der BGH.
Die Niederlande wollten darüberhinaus feststellen lassen, dass jegliche Schiedsverfahren auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags unzulässig sind. Damit hatte das Land vor dem BGH aber keinen Erfolg. Nur eine konkrete Schiedsvereinbarung könne geprüft werden, erklärte der Vorsitzende Richter Thomas Koch, keine potenzielle.
Der BGH entschied auch nicht über alle möglichen Streitigkeiten zwischen Staaten und Investoren. Es ging nur um Konflikte zwischen Mitgliedsstaaten der EU und Unternehmen, die in anderen EU-Staaten sitzen. Das sei eine besondere Situation, sagte Koch.
Der Europäische Gerichtshof hat nämlich bereits entschieden, dass Schiedssprüche in solchen Fällen zwingend durch ein staatliches Gericht kontrolliert werden müssen. Nach den Beschlüssen des BGH vom Donnerstag ist klar, dass ein betroffenes EU-Land auch vor Bildung des Schiedsgerichts dessen Zuständigkeit vor einem deutschen Gericht klären lassen kann.
smb/ilo