Die Berliner SPD geht mit einer neuen Doppelspitze ins wichtige Wahljahr 2021. Die Delegierten des Landesparteitags wählten Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und Fraktionschef Raed Saleh zu den Nachfolgern von Michael Müller, der über zwölf Jahre lang Landesvorsitzender der Berliner Sozialdemokraten war. Giffey erklärte sich am Samstag bereit, die SPD-Spitzenkandidatur für die Abgeordnetenhauswahl zu übernehmen. "Wir schlagen ein neues Kapitel auf in der Geschichte der Berliner SPD", sagte sie.
Bei der Wahl der Doppelspitze erhielt Giffey 89,4 Prozent der Stimmen. Sie dankte den Delegierten "für den Rückenwind, euer Vertrauen, eure Unterstützung und Solidarität". Ihr Ko-Vorsitzender Saleh schnitt deutlich schwächer ab, er bekam nur 68,7 Prozent. Er wertete das Resultat aber als Zeichen für "großes Vertrauen".
"Wir haben zum allerersten Mal eine Doppelspitze, und wir haben auch zum allerersten mal eine Frau", sagte Giffey. Sie freue sich, dass sich die SPD für mehr Gleichberechtigung und Frauen in der Politik einsetzen wolle. Sie sei überzeugt, dass Berlin "eine starke sozialdemokratische Kraft" brauche. Saleh sagte, die SPD müsse für ein "Kernthema" stehen: "diese Gesellschaft zusammenzuhalten".
Die Wahlergebnisse wurden am Samstagmorgen bekanntgegeben, nachdem die Delegierten am Freitagabend in dezentralen Wahllokalen ihre Stimmen abgegeben hatten. Der Parteitag fand wegen der Corona-Pandemie online statt, nur für die Wahlen begaben sich die Delegierten in die Wahllokale.
In ihrer Bewerbungsrede am Freitagabend hatte Giffey für Zusammenhalt geworben und ihre Partei auf einen schwierigen Wahlkampf eingeschworen. "Wir müssen von uns selbst überzeugt sein, wir müssen uns selber vertrauen", sagte die Ministerin, die derzeit wegen Plagiatsvorwürfen in Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit unter Druck steht.
Inhaltlich kündigte Giffey einen Prozess zur Formulierung eines Wahlprogramms an. Sie selbst brachte fünf Kernthemen ins Gespräch, die "Fünf B's für Berlin": Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin in Sicherheit. Die Sozialdemokratie sei "aktueller denn je", denn es sei eben nicht so, "dass alle Menschen in unserem Land die gleichen Chancen haben".
Der scheidende Landesvorsitzende Müller forderte seine Genossen in seiner Abschiedsrede am Freitagabend dazu auf, das neue Führungsduo zu unterstützen. Seit Monaten stehe die Partei "so einig da wie lange nicht", sagte Müller. "Unterstützt Franziska und Raed genauso wie mich", forderte er seine Parteikollegen auf.
Im Hinblick auf die schwachen Umfrageergebnisse der Berliner SPD zeigte sich Müller unbeeindruckt: Die Sozialdemokraten seien schon oft totgesagt worden, doch die SPD regiere "nicht auf Grundlage von Umfragen, sondern auf Grundlage von Wahlerfolgen".
Mit Blick auf die Bundespolitik forderte Müller eine klare Distanzierung zur AfD und ging auch auf Abstand zum derzeitigen Koalitionspartner auf Bundesebene CDU/CSU. "Wir müssen raus aus der Groko-Ecke", sagte Müller. "Wir müssen zeigen, dass wir auch andere Optionen haben".
Vor dem neuen Führungsduo liegt ein steiniger Weg bis zur Abgeordnetenhauswahl. Der scheidende Landesvorsitzende gab ein klares Ziel vor: "Dass das Rote Rathaus rot bleibt, ist mir wichtig."
by Michael Kappeler