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Berlin bestellt Botschafter von Belarus wegen Behinderung von Pressefreiheit ein

Bundesregierung "fest an der Seite" der Protestbewegung in Belarus

Nach der Festnahme ausländischer Journalisten hat das Auswärtige Amt den Botschafter von Belarus einbestellt. Der Botschafter Denis Sidorenko sei "zu einem dringenden Gespräch ins Auswärtige Amt einberufen" worden, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag in Berlin. Die belarussischen Behörden hatten am Wochenende ein ARD-Kamerateam vorübergehend festgesetzt. Zahlreichen Journalisten wurde die Akkreditierung entzogen. Wegen der Gewalt gegen Demonstranten in Belarus erließen die baltischen Staaten ein Einreiseverbot gegen den autoritären belarussischen Staatschef Alexander Lukaschenko.

Als Reaktion auf das Vorgehen der belarussischen Behörden gegen Journalisten werde auch die Strategische Beratergruppe Deutschland-Belarus mit sofortiger Wirkung ausgesetzt, sagte der Sprecher des Auswärtigen Amts. Das Ziel der Arbeitsgruppe sei "angesichts der gegenwärtigen Lage nicht erreichbar".

In Belarus gibt es seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl vom 9. August Massenproteste gegen den seit 26 Jahren regierenden Lukaschenko. Die belarussischen Sicherheitskräfte gehen brutal gegen die Demonstranten vor.

Im Vorfeld einer Großdemonstration am Sonntag waren die Behörden gegen Vertreter unabhängiger Medien vorgegangen, darunter das dreiköpfige ARD-Kamerateam. Zwei russische Kameraleute der ARD wurden des Landes verwiesen und mit einem zweijährigen Einreiseverbot belegt. Einem belarussischen ARD-Mitarbeiter droht ein Strafverfahren. Vom plötzlichen Entzug ihrer Arbeitserlaubnis betroffen waren zudem Journalisten der Nachrichtenagenturen AFP und AP sowie der Sender BBC und Radio Liberty.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte die Behinderung der Pressefreiheit in Belarus am Samstagabend als "nicht akzeptabel" bezeichnet. Deutschland und die USA legten auch offiziell Protest gegen das Vorgehen der belarussischen Behörden ein.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte am Montag, die Bundesregierung stehe "fest an der Seite der Menschen in Belarus in ihrem Wunsch nach Frieden, nach demokratischer Teilhabe und nach politischen Veränderungen". Die landesweiten Massenproteste seien "eindrucksvoll" und der Mut der Demonstranten "beeindruckend". Es sei "höchste Zeit, dass Herr Lukaschenko die Realitäten im Land anerkennt", sagte Seibert weiter. Für eine friedliche Lösung des Konflikts nötig sei ein "offener Dialog zwischen der Staatsführung, den Kräften der Opposition und der gesamten belarussischen Gesellschaft".

Laut dem offiziellen Wahlergebnis hatte Lukaschenko die Wahl am 9. August mit rund 80 Prozent der Stimmen gewonnen, auf die inzwischen nach Litauen geflohene Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja entfielen demnach nur rund zehn Prozent. Die Protestbewegung wirft Lukaschenko massiven Wahlbetrug vor. Auch die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an.

Am Montag schlug Lukaschenko die Abhaltung eines Verfassungsreferendums vor, in dem unter anderem über eine Justizreform abgestimmt werden soll. Die Forderung der Opposition, zur Verfassung von 1994 zurückzukehren, lehnte der 66-Jährige allerdings ab. In den vergangenen Jahren hat es in Belarus zwei Verfassungsreferenden gegeben, deren Ergebnis jeweils eine weitere Stärkung der Rolle des Präsidenten war.

Jene, die "lauthals" nach einer Veränderung in Belarus riefen, seien eine "Minderheit", sagte Lukaschenko am Montag bei einem Treffen mit dem Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofs in Minsk. Seit Beginn der Massenproteste versucht Lukaschenko, diese herunterzuspielen und sich als Hüter der Ordnung im Land zu präsentieren. Zugleich zeugten kürzlich veröffentlichte Bilder Lukaschenkos in schusssicherer Weste und mit Kalaschnikow von einer wachsenden Isolation des Präsidenten.

Wegen der mutmaßlichen Wahlmanipulation und der Gewalt gegen friedliche Demonstranten haben die EU-Außenminister Sanktionen gegen Verantwortliche in den belarussischen Behörden auf den Weg gebracht. Den baltischen Staaten Lettland, Litauen und Estland gingen die vereinbarten Strafmaßnahmen nicht weit genug: Sie erklärten Lukaschenko am Montag zur Persona non grata und belegten ihn und mehrere Dutzend weitere belarussische Amtsträger am Montag mit einem Reiseverbot in ihren Ländern. Die gemeinsame Botschaft der Länder sei, dass wir "mehr tun müssen als nur Erklärungen herauszugeben, wir müssen auch konkret handeln", sagte der litauische Außenminister Linas Linkevicius zu AFP.

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