Die Europäische Union hat ihren Sitz in Brüssel, das ist bekannt. Doch diese Situation könnte sich schnell ändern, insbesondere wenn es nach der Mehrheit der Belgier geht. Obwohl Belgien und insbesondere die Hauptstadt mehr als jeder andere Mitgliedstaat von der Existenz der Union profitieren, beheimatet das Land auch die höchste Anzahl sogenannter Euroskeptiker. Nach aktuellen Schätzungen möchten mehr als 60 % der Belgier die Union verlassen.
Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern, wie dem ehemaligen EU-Mitgliedsstaat Großbritannien, sind die Befürworter eines Austritts aus der EU in Belgien nicht nur auf der rechts-populistischen Seite anzutreffen, sondern auch unter der eher linksgerichteten Bevölkerungsschicht. Bei den diesjährigen Europawahlen wird daher erwartet, dass EU-kritische und EU-skeptische Parteien, die einen Austritt aus der EU in Aussicht stellen, besonders bei belgischen Wählern auf Zustimmung stoßen werden. Da die Europäische Union ihren Hauptsitz nicht in einem Nicht-Mitgliedsland haben kann, wäre es wohl angebracht, sich bald nach einem neuen Standort umzusehen.
Auch in Deutschland werden zunehmend Stimmen laut, die einen Austritt aus der EU fordern. Die rechtsextreme AfD hat dies sogar in ihrem Parteiprogramm verankert und strebt darüber hinaus an, die Europäische Währungsunion zu verlassen, um die Deutsche Mark wieder einzuführen. Angesichts dieses Szenarios warnt nun besonders der Bundesbankpräsident Joachim Nagel vor einem möglichen Austritt Deutschlands aus der EU, den er als wirtschaftliche Katastrophe und Bedrohung für den hiesigen Wohlstand bezeichnet. Auch er äußert Unzufriedenheit mit dem aktuellen Zustand der deutschen Wirtschaft, die sich offenbar kaum vorwärts bewegt. Ein Austritt aus der EU würde die Situation jedoch nur verschlimmern. Ein herausragendes Beispiel dafür, wie es schiefgehen kann, ist der Brexit und die daraus resultierenden Verluste, insbesondere für die britische Bevölkerung.
Nach neuesten Berechnungen verliert Großbritannien durch den Brexit jährlich 162 Milliarden EUR. Im Durchschnitt ist jeder Brite dadurch ungefähr 3000 EUR pro Jahr ärmer, und die Arbeitslosenzahlen steigen aufgrund des enormen Stellenabbaus, der direkt auf den EU-Austritt zurückzuführen ist. Deutschland hingegen verfügt derzeit trotz vorübergehender wirtschaftlicher Schwäche über einen stabilen Arbeitsmarkt mit nahezu Vollbeschäftigung. Das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) warnt jedoch davor, dass sich dies dramatisch ändern könnte, wenn Deutschland aus der EU austreten würde, und schätzt, dass dabei 2,2 Millionen Arbeitsplätze verloren gehen könnten.