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Belarussische Polizei löst Massendemonstration gewaltsam auf

Menschenrechtler melden landesweit 170 Festnahmen

In der belarussischen Hauptstadt Minsk hat die Polizei eine Massendemonstration gegen den autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko gewaltsam aufgelöst. Die Sicherheitskräfte hätten Wasserwerfer und Blendgranaten eingesetzt, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Laut der Menschenrechtsorganisation Wjasna nahm die Polizei landesweit mindestens 170 Demonstranten fest.

Unabhängige belarussische Medien veröffentlichten Aufnahmen, auf denen vermummte Bereitschaftspolizisten, Soldaten sowie Männer ohne Uniform zu sehen waren, die sich aus nicht gekennzeichneten Minibussen heraus auf Demonstranten stürzten und auf sie einschlugen.

Ein Journalist der unabhängigen Zeitung Nascha Niwa filmte, wie Sicherheitskräfte offenbar Demonstranten mit Schusswaffen bedrohten. Die Nachrichten-Website Belsat berichtete von mindestens einem Verletzten, der am Kopf behandelt werden musste.

Das Innenministerium kündigte an, am Montag die Zahl der Festgenommenen bekanntzugeben. Laut Wjasna nahm die Polizei in Minsk mindestens 140 Menschen fest; weitere rund 30 Festnahmen gab es demnach in anderen Städten. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Tass meldete die kurzzeitige Festnahme einer ihrer Mitarbeiter in Minsk.

Mit Blick auf die Demonstration hatten die Behörden in Minsk eine Reduzierung der mobilen Internetdienste angeordnet und Armeefahrzeuge in das Stadtzentrum geschickt. Polizisten riegelten zahlreiche zentrale Straßen ab. Eine AFP-Journalistin berichtete, dass sich trotz schlechten Wetters tausende Menschen an der Demonstration beteiligten - viele von ihnen mit Regenschirmen.

In der zwei Millionen Abonnenten zählenden Gruppe Nexta Live des Messenger-Dienstes Telegram hatten Regierungskritiker die Demonstranten dazu aufgerufen, vor das Gefängnis des Geheimdienstes KGB in Minsk zu ziehen, in dem viele Oppositionelle festgehalten werden. Lukaschenko hatte dort am Samstag überraschend Inhaftierte besucht.

Die wöchentlichen Massenproteste in Belarus halten bereits seit der umstrittenen Präsidentschaftswahl in dem Land vor zwei Monaten an. Die Demonstranten werfen Lukaschenko Wahlbetrug vor und verlangen seinen Rücktritt.

Nach offiziellen Angaben war Lukaschenko bei der Wahl am 9. August mit rund 80 Prozent der Stimmen für eine sechste Amtszeit gewählt worden, die Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja erhielt demnach nur rund zehn Prozent der Stimmen. International gibt es massive Zweifel an dem Wahlergebnis. Die EU und die USA erkennen es nicht an. Wegen des brutalen Vorgehens der Behörden gegen friedliche Demonstranten hat die EU zudem neue Sanktionen gegen Belarus verhängt.

Lukaschenkos Besuch von inhaftierten Oppositionellen am Samstag hatte in der Opposition Hoffnungen auf einen Dialog geweckt. Nach offiziellen Angaben hatte Lukaschenko mit den Gefangenen über eine geplante Verfassungsreform gesprochen.

Die ins Exil nach Litauen geflüchtete Oppositionspolitikerin Tichanowskaja twitterte, Lukaschenko habe mit dem Schritt die "Existenz politischer Gefangener" anerkannt, die er zuvor als "Kriminelle" geschmäht habe. Sie fügte zugleich hinzu: "Sie können keinen Dialog in einer Gefängniszelle führen."

Der Oppositionspolitiker Pawel Latuschko erklärte, das brutale Vorgehen der Polizei am Sonntag sei ein weiteres Zeichen dafür, "dass das Regime nicht dazu in der Lage ist, einen ehrlichen und offenen Dialog mit der Gesellschaft zu führen".

by STRINGER