Am 32. Jahrestag der Niederschlagung der Proteste auf dem Pekinger Tiananmen-Platz hat die Polizei in Hongkong eine bekannte Demokratie-Aktivistin festgenommen. Die Juristin Chow Hang Tung wurde am Freitagmorgen vor ihrem Büro von vier Polizisten in Zivil abgeführt, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Aktivistin wurde in einer schwarzen Limousine weggebracht. Derweil bekräftigten die USA ihre Unterstützung für die Tiananmen-Aktivisten.
Chow ist eine der stellvertretenden Vorsitzenden der Hongkong-Allianz, die jedes Jahr am 4. Juni eine Mahnwache zum Gedenken an die Opfer der brutalen Niederschlagung von 1989 organisiert. Die Behörden in Hongkong hatten die Gedenkveranstaltung bereits zum zweiten Mal in Folge unter Verweis auf die Corona-Pandemie verboten - obwohl zuletzt kaum noch Infektionsfälle verzeichnet wurden.
Neben Chow wurde ein 20-jähriger Verdächtiger festgenommen, wie die Polizei mitteilte. Ihnen werde vorgeworfen, in den Online-Netzwerken Aufrufe zu nicht genehmigten Versammlungen veröffentlicht zu haben. Sie hätten "für verbotene öffentliche Aktivitäten geworben" und andere aufgerufen, daran teilzunehmen.
Nach dem Verbot der Behörden hatte die Hongkong-Allianz mitgeteilt, auf die Ausrichtung der Gedenkveranstaltung zu verzichten. Chow hatte dennoch angekündigt, dass sie sich zum Victoria-Park begeben werde, wo sich in den vergangenen Jahren tausende Menschen zur Tiananmen-Mahnwache versammelt hatten.
"Ein Regime kann eine Versammlung verbieten, aber es kann niemals den unauslöschlichen Groll in den Herzen der Menschen verbieten", schrieb der inhaftierte Chef der Hongkong-Allianz, Lee Cheuk Yan, am Donnerstag auf Facebook.
Die Aktivisten riefen die Menschen in Hongkong auf, am Freitagabend zum Gedenken Kerzen in ihren Wohnungen anzuzünden und mit Botschaften in den Online-Netzwerken an die Niederschlagung der Tiananmen-Proteste zu erinnern. "Zündet Lichter an, wo immer ihr auch seid - egal, ob die Taschenlampe eures Handys, echte oder elektronische Kerzen", schrieb Chow wenige Stunden vor ihrer Festnahme auf Facebook.
Im vergangenen Jahr hatten sich anlässlich des Jahrestages der Niederschlagung der studentischen Pro-Demokratie-Proteste zehntausende Menschen in Hongkong dem Versammlungsverbot widersetzt. Mehrere Demokratie-Aktivisten wurden wegen ihrer Teilnahme verurteilt, darunter auch Joshua Wong, einer der bekanntesten Vertreter der Demokratie-Bewegung.
Wer in diesem Jahr gegen das Versammlungsverbot verstoße, könne unter dem sogenannten Sicherheitsgesetz belangt werden, hatten die Behörden im Vorfeld angekündigt. Rund 7000 Polizisten wurden in Hongkong in Bereitschaft versetzt, um mögliche Versammlungen zu unterbinden.
Gegen den wachsenden Einfluss Pekings hatte es in Hongkong 2019 monatelange Massenproteste gegeben. Als Reaktion darauf erließ die chinesische Führung im vergangenen Jahr das umstrittene sogenannte Sicherheitsgesetz, das den Behörden in Hongkong ein hartes Vorgehen gegen alle Aktivitäten erlaubt, die nach ihrer Auffassung die nationale Sicherheit Chinas bedrohen.
Aus Unmut über das neue Gesetz kündigte die britische Richterin Brenda Hale an, ihren Posten am obersten Hongkonger Berufungsgericht aufzugeben. Nach dem Ende ihres Mandats im Juli werde sie das Gericht verlassen, sagte sie am Donnerstag nach Angaben der "Times" bei einer Online-Konferenz. Hinter dem sogenannten Sicherheitsgesetz stehe eine "Reihe von Fragezeichen", erklärte sie demnach. Hale ist eine von 13 ausländischen Richterinnen und Richtern, die dem Gericht angehören.
Die USA betonten derweil ihre Unterstützung für die Tiananmen-Aktivisten. Sein Land werde "die Opfer derjenigen ehren, die vor 32 Jahren getötet wurden", sagte US-Außenminister Antony Blinken. Er lobte "die mutigen Aktivisten, die ihre Bemühungen heute angesichts der anhaltenden Repressionen der Regierung fortsetzen".
In Peking wurden vor dem Jahrestag der Protest-Niederschlagung die Sicherheitsvorkehrungen am Tiananmen-Platz verschärft. An den Eingängen zu dem Platz gab es Passkontrollen, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Vorfälle von 1989 sind in China bis heute ein Tabu.
Die chinesische Armee war in der Nacht zum 4. Juni 1989 mit Panzern gegen Studenten vorgegangen, die auf dem Tiananmen-Platz für mehr Demokratie demonstrierten. Hunderte, nach einigen Schätzungen sogar mehr als tausend Menschen wurden getötet. Die Vorfälle von 1989 sind in China bis heute ein Tabuthema, alle Gedenkveranstaltungen auf dem chinesischen Festland sind verboten.
by Von Su Xinqi