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Bei Regionalwahlen in Frankreich zeichnet sich Rekord-Enthaltung ab

Urnengang in Regionen und Départements als Stimmungstest für Präsidentenwahl

Bei den Regional- und Départementswahlen in Frankreich hat sich eine Rekord-Enthaltung abgezeichnet. Bis Sonntagmittag gaben nur 12,22 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie das Innenministerium mitteilte. Selbst bei den Regionalwahlen mit der in der Geschichte des Landes bisher höchsten Enthaltung im ersten Durchgang - 53 Prozent im Jahr 2010 - hatten bis zum Mittag deutlich mehr Wähler abgestimmt. Die Rechtspopulisten der Partei Rassemblement National (Nationale Sammlungsbewegung) von Marine Le Pen hofften auf einen Sieg und Aufwind für die Präsidentschaftswahl im nächsten Jahr.

Bei der vorherigen Regionalwahl im Dezember 2015 hatte die Teilnahme-Quote am Mittag bei gut 16 Prozent gelegen. An den Départementswahlen im März 2015 hatten sich zum gleichen Zeitpunkt bereits fast 18 Prozent der Stimmberechtigten beteiligt. Bei der Regionalwahl mit der am Ende bisher geringsten Beteiligung 2010 waren es bis zum Mittag gut 16 Prozent.

In Marseille im Süden Frankreichs öffneten am Morgen nach Angaben der Präfektur 34 Wahllokale zunächst nicht, weil nicht genügend Wahlhelfer anwesend waren. Linksparteichef Jean-Luc Mélenchon sprach von einer "Schande". Nach Angaben des Rathauses konnte ein Dutzend Wahllokale erst ab 11.00 Uhr öffnen. In der Gemeinde Cousolre im Norden des Landes fehlte es nach Behördenangaben an Wahlunterlagen.

Rund 48 Millionen Franzosen waren aufgerufen, im ersten Wahldurchgang die Ratsvertreter in 13 zentralfranzösischen Regionen sowie in 95 Départements, den kleineren Verwaltungsbezirken, zu bestimmen. Meinungsforscher hatten im Vorfeld mit einer Rekord-Enthaltung von mehr als 60 Prozent gerechnet. Die geringe Beteiligung könnte den Rechtspopulisten zugute kommen.

2015 hatte die Le Pen-Partei, die damals noch Front National hieß, in der ersten Runde in einer ganzen Reihe von Regionen vorn gelegen. In der zweiten Runde unterlag sie aber regionalen Zusammenschlüssen der anderen Parteien. Dieses Mal will Le Pen diese sogenannte republikanische Front durchbrechen. Umfragen zufolge könnte dies insbesondere in der Mittelmeerregion Provence-Alpes-Côte-d'Azur gelingen, wo die extreme Rechte seit mehr als 30 Jahren eine wichtige Rolle spielt.

Le Pen will 2022 zudem als Präsidentschaftskandidatin gegen Amtsinhaber Emmanuel Macron antreten. Die Partei des Staatschefs, La République en marche (LREM), hat bei den Regionalwahlen schlechte Aussichten: Bei der Abstimmung 2015 war LREM noch nicht gegründet; sechs Jahre später fehlt es der Partei in den Regionen weiterhin an Basis und Strukturen.

Präsident Emmanuel Macron und seine Frau Brigitte gaben ihre Stimmen am Mittag in Le Touquet im Département Pas-de-Calais ab, in dem auch Le Pen abstimmte.

Laut Umfragen hat das Thema Sicherheit Priorität für viele Wähler, noch vor Arbeit, Umweltschutz oder Gesundheit. Auch im Wahlkampf spielte der Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität nach einer Reihe von Anschlägen eine zentrale Rolle. Allerdings haben die französischen Regionen und Départements hierfür kaum Kompetenzen. Sie sind etwa für Wirtschaftsförderung, Bildung oder Verkehrsinfrastruktur zuständig.

Wegen der Corona-Pandemie findet der Urnengang rund drei Monate später statt als ursprünglich geplant; in den Wahllokalen gelten Maskenpflicht und Abstandsregeln. Erste Ergebnisse sind nach Schließung der meisten Wahllokale um 18.00 Uhr zu erwarten. Die Stichwahlen finden am Sonntag in einer Woche statt.

by LOIC VENANCE