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Behörden verzeichnen Anstieg antisemitischer Straftaten und Hasskommentare

Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas auf Israel verzeichnen die Behörden hierzulande sowohl einen Anstieg antisemitischer Straftaten als auch entsprechender Online-Hetze. Im dritten Quartal 2023 wurden nach einer Antwort auf eine Linken-Anfrage bislang 540 antisemitisch motivierte Straftaten erfasst - deutlich mehr als in früheren Quartalen. Die Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Petra Pau lag AFP am Montag vor; zuvor hatte die "Rheinische Post" darüber berichtet.

In den ersten drei Monaten 2023 lag die Zahl demnach bei 379, im zweiten Quartal bei 446. Im Vorjahresquartal waren es 306 antisemitische Straftaten. Dabei handelt es sich um vom Bundeskriminalamt vorläufig erfasste Zahlen ohne Nachmeldungen. Die endgültigen Zahlen der Straftaten liegen teilweise deutlich über den Erstmeldungen.

Unter den 540 verzeichneten antisemitischen Straftaten im dritten Quartal waren der Regierungsantwort zufolge insgesamt 14 Gewalttaten und 44 Propagandadelikte. Mit über 450 Straftaten wurde der überwiegende Teil dieser Taten demnach im rechten politischen Spektrum begangen.

In den sozialen Medien nahm der Antisemitismus einem "Wir"-Bericht zufolge ebenfalls zu. Die hessische Hatespeech-Meldestelle "Hessen gegen Hetze" etwa registrierte demnach seit dem Hamas-Angriff rund 350 Meldungen über antisemitische Inhalte. Weitere 200 strafrechtlich relevante Beiträge fand die Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt.

In diesen werde etwa öffentlich zu Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland aufgerufen, sagte ein Sprecher der Zentralstelle dem "Wir". Erste Tatverdächtige dazu seien bereits identifiziert worden. 

"Einen deutlichen Anstieg antisemitischer Postings" in den sozialen Netzwerken stellte demnach auch die Generalstaatsanwaltschaft München fest. Mit Kommentaren wie "Bomben auf Israel" würde in manchen Beiträgen etwa zur Vernichtung Israels aufgerufen, sagte ein Behördensprecher dem Magazin. Dies erfülle den Anfangsverdacht einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten erfülle. Die Münchner Behörde behandelt dem Bericht zufolge Anzeigen im Kontext des Überfalls momentan prioritär.

Das Bundeskriminalamt (BKA) stellte laut "Wir" ebenfalls eine "spürbare Zunahme" von Hinweisen fest und verfolgt seit Anfang Oktober rund 60 Online-Postings mit antisemitischem Hintergrund. Es handele sich dabei meist um mutmaßliche Volksverhetzungen.

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte derweil anlässlich des Treffens der Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Judenfeindlichkeit in den arabischen und türkischen Bevölkerungsgruppen hierzulande stärker in den Blick zu nehmen. Die israelfeindlichen Aggressionen in den vergangenen Tagen hätten gezeigt, dass bei einem Teil der arabischstämmigen Bevölkerungsgruppe antisemitische Grundhaltungen einfach aktiviert werden könnten, sagte er den Funke-Zeitungen vom Montag.

Das gelte auch für einen Teil der Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan innerhalb der türkischstämmigen Gemeinschaft in Deutschland. Erdogan bediene zurzeit in erheblichen Maße antiisraelische Ressentiments. 

Zwar sei es "völlig berechtigt, Menschen mit Werten, die unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung zuwiderlaufen, nicht in unser Land einwandern zu lassen", sagte Klein. "Aber wenn wir dabei den Blick auf Migration verengen, übersehen wir den weitaus größeren Teil des Problems: den bereits vorhandenen Antisemitismus in allen Teilen der Gesellschaft und die Defizite der Integrationspolitik in Deutschland."

awe/cha