Bei einem russischen Raketenangriff auf ein Wohngebiet der Stadt Lwiw in der Westukraine sind nach ukrainischen Angaben mindestens fünf Menschen getötet worden. 37 weitere Menschen wurden verletzt, wie die Behörden und der Rettungsdienst am Donnerstag mitteilten. Laut Bürgermeister Andrij Sadowyj war es der größte Angriff auf zivile Infrastruktur in Lwiw seit Beginn der russischen Invasion. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte eine "handfeste Reaktion" an.
In vorherigen ukrainischen Angaben war noch von vier Toten in Lwiw die Rede gewesen. Der Angriff habe ein Wohnhaus getroffen und den dritten und vierten Stock komplett zerstört, teilte Innenminister Ihor Klymenko im Messengerdienst Telegram mit. Rettungskräfte bemühten sich darum, Menschen aus den Trümmern zu befreien.
Mehr als 50 Wohnungen seien zerstört worden, erklärte Bürgermeister Sadowyj auf Telegram. Beschädigt wurden demnach auch ein Wohnheim der Polytechnischen Universität, eine Schule und ein Bürogebäude.
"Ich bin von der ersten Explosion aufgewacht, aber wir hatten keine Zeit, die Wohnung zu verlassen", berichtete die 37-jährige Bewohnerin Olja. "Es gab eine zweite Explosion, die Decke begann einzustürzen, und meine Mutter wurde sofort getroffen." Sie sei zum Fenster gelaufen, habe um Hilfe geschrien und sei von Rettungskräften ins Krankenhaus gebracht worden. Bei ihrer Rückkehr habe sie erfahren, dass ihre Mutter und ihre Nachbarn gestorben seien.
Das russische Verteidigungsministerium teilte unterdessen mit, seine nächtlichen Angriffe mit "Präzisionwaffen von großer Reichweite" hätten alle vorgesehenen Ziele getroffen. Die Waffen seien vom Meer aus abgefeuert worden und hätten Stationierungsposten ukrainischer Truppen sowie Lager mit gepanzerten Fahrzeugen aus ausländischer Produktion getroffen. In der Erklärung des Ministeriums wurde der Angriff auf Lwiw nicht erwähnt.
Selenskyj kommentiere ein Telegram-Video, das ein zerstörtes Gebäude zeigt, mit den Worten: "Folgen des nächtlichen Angriffs durch russische Terroristen." Er kündigte an: "Es wird auf jeden Fall eine Reaktion auf den Feind geben. Eine handfeste."
Lwiw liegt hunderte Kilometer von der Front entfernt im Westen der Ukraine. Die Stadt und ihre Umgebung waren seit dem Beginn der russischen Invasion am 24. Februar 2022 dennoch wiederholt Ziel von Angriffen.
Die Ukraine hat ihre Luftabwehrsysteme mithilfe von Waffenlieferungen aus dem Westen gestärkt; die Zahl russischer Raketen und Drohnen, welche die Luftverteidigung durchbrechen, hat seitdem abgenommen. Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Jurij Ignat, warnte zuletzt jedoch, die gelieferten Systeme reichten nicht aus, um das ganze Land ausreichend zu schützen.
Selenskyj sagte in einem Interview des US-Senders CNN, zu langsame Waffenlieferungen des Westens hätten auch den Beginn der ukrainischen Gegenoffensive verzögert und es Russland ermöglicht, seine Verteidigung in den besetzten Gebieten zu festigen, unter anderem mit Minen.
Am Donnerstag traf Selenskyj zu einem Besuch in Bulgarien ein. Auch in Sofia sollte es offenbar um eine Beschleunigung von Waffenlieferungen gehen. Das EU-Mitglied Bulgarien, ebenso wie die Ukraine Schwarzmeeranrainer, ist ein klarer Unterstützer Kiews im Krieg gegen die russischen Invasionstruppen.
Am Freitag wird Selenskyj türkischen Medienberichten zufolge in Istanbul zu Gesprächen mit Präsident Recep Tayyip Erdogan erwartet. Dabei soll es unter anderem um das auslaufende Abkommen zwischen Kiew und Moskau zum Export ukrainischen Getreides über das Schwarze Meer gehen. Das Abkommen war unter Vermittlung der Türkei und der UNO zustande gekommen.
aka/dja