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Bayern reicht Verfassungsklage gegen Erbschaftsteuer ein

Im Streit um die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer hat die bayerische Landesregierung ihre angekündigte Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht. Das teilte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) am Sonntag im Kurzbotschaftendienst Twitter mit. Bayern klage in Karlsruhe "für höhere Freibeträge und niedrigere Steuersätze". Die Verfassungsklage "ist eingereicht".

Die Klage hatte die bayerische Staatsregierung bereits vor einiger Zeit angekündigt. Ende Mai beschloss das Kabinett in München formal, einen entsprechenden Normenkontrollantrag in Karlsruhe einzureichen. Bayern wünsche eine "verfassungsrechtliche Überprüfung", die den Weg für "eine Erhöhung der persönlichen Freibeträge, Senkung der Steuersätze und eine Regionalisierung der Erbschaftsteuer" öffne, teilte diese damals zur Begründung mit. In Bayern wird im Oktober ein neuer Landtag gewählt. 

Bayern pocht unter anderem darauf, dass die Länder über die Ausgestaltung der Erbschaftsteuer entscheiden, weil sie ihnen in voller Höhe zufließt. Bisher ist diese aber ein Bundesgesetz, die Kompetenz liegt auf Bundesebene.

Konkret dreht sich der politische Streit außerdem um die Höhe der aktuellen steuerbefreiten Freibeträge auf Immobilien, die im Erbfall gelten. Bayern fordert eine Erhöhung. Während Inflation sowie Boden- und Hauspreise in den vergangen Jahren "massiv gestiegen" seien, habe der Bundesgesetzgeber die Freibeträge seit 2008 nicht erhöht, kritisierte die Regierung in München.

Nach Darstellung der Landesregierung um Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ist eine steuerfreie Vererbung von Einfamilienhäusern "in vielen Teilen Bayerns schon seit längerer Zeit nicht mehr möglich". Viele Erbinnen und Erben müssten verkaufen. Ähnlich argumentierte am Sonntag Füracker. "Uns droht der Ausverkauf der Heimat. Jeder muss das Elternhaus erben können, ohne durch die Steuer zum Verkauf gezwungen zu werden", schrieb er auf Twitter.

Kritisch zum Vorgehen der bayerischen Regierung äußerten sich am Sonntag das Netzwerk Steuergerechtigkeit und die Bürgerbewegung Finanzwende, in denen sich unter anderem Gewerkschaften, kirchliche Organisationen und kritische Experten zusammengeschlossen haben. Söder konstruiere mit der Klage "einen wahlkampftauglichen Konflikt zwischen Bayern und dem Rest der Republik, der keiner ist", erklärte Gehard Schick von Finanzwende. Das "große Gerechtigkeitsproblem" der Steuer seien Ausnahmen für Superreiche. 

Auch Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit warf der bayerischen Landesregierung vor, die Realität falsch darzustellen. "Ein selbst bewohntes Familienheim ist von der Erbschaftsteuer ohnehin ausgenommen", betonte sie. Außerdem erbten nur fünf Prozent der Menschen in Bayern überhaupt so viel, dass sie Erbschaftsteuer zahlen müssten. "Die Steuer zahlt also nicht der breite Mittelstand, sondern in der Regel die Oberschicht", fügte sie hinzu.

In der Diskussion spielt auch das Jahressteuergesetz 2022 eine Rolle. Es soll eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, wonach der Immobilienwert künftig für steuerliche Zwecke möglichst nahe am Verkaufswert veranschlagt werden muss. Dieser stieg zuletzt stark.

Die Forderung nach Verlagerung der Regelungskompetenz für die Erbschaft- und Schenkungsteuer auf die Bundesländer wiederum begründete die bayerische Regierung mit großen regionalen Unterschieden bei den Grundstücks- und Immobilienpreisen. So sei gerade Bayern "als attraktiver Standort" von  hohen Preisen betroffen. Die derartige bundeseinheitliche Ausgestaltung der Freibeträge und Steuersätze trage den Unterschieden aber keine Rechnung.

bro/hcy