Der bayerische Verfassungsgerichtshof hat eine Klage gegen das inzwischen bereits mehrfach abgeänderte bayerische Polizeiaufgabengesetz, das unter anderem die Möglichkeit für polizeilichen Präventivgewahrsam zur Verhinderung drohender Straftaten schafft, abgewiesen. Wie das Gericht am Mittwoch in München mitteilte, stufte es den Antrag der Klägerseite in weiten Teilen als unzulässig ein. Mit Blick auf die Regelungen der aktuellen Gesetzesfassung, bei denen der Antrag zulässig war, war demnach kein Verstoß gegen die bayerische Verfassung feststellbar. (Az. Vf. 15-VII-18)
Gegen das Gesetz geklagt hatte der bayrische Bund für Geistesfreiheit, eine freigeistig-humanistische Weltanschauungsgemeinschaft, die sich nach eigenen Angaben unter anderem für den Schutz der Menschen- und Bürgerrechte einsetzt. Seine ursprünglich bereits 2017 eingereichte und im Zuge der nachfolgenden Gesetzesnovellen mehrfach angepasste Klage richtete sich gegen zahlreiche Regelungen des Gesetzes, welche die Gemeinschaft aufgrund unzulässiger Eingriffe in elementare rechtsstaatliche Grundrechte als verfassungswidrig betrachtet.
Einen Schwerpunkt der Klage bildete dabei nach Gerichtsangaben die Kritik an der Formulierung einer "drohenden Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut" als Basis für polizeiliche Spezialbefugnisse etwa zur Überwachung von Menschen, die laut Antragstellern zu vage sei. In diesem zentralen Punkt allerdings wiesen die Richterinnen und Richter die Klage als unzureichend begründet ab.
Der Vortrag der Kläger zu diesem Punkt "erschöpft sich insoweit in pauschalen Behauptungen" und setze sich "vor allem nicht mit dem konkreten Regelungsgehalt der Vorschrift auseinander", erklärte der Gerichtshof zur Begründung. Sowohl der Rechtsbegriff der "drohenden Gefahr" als auch jener der "bedeutenden Rechtsgüter" würden in dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz "legal definiert und mit einzelnen Tatbestandsmerkmalen näher umschrieben".
Als zulässig stuften die Verfassungsrichter lediglich Teile der umfangreichen Klage ein, die sich auf Regelungen etwa zu den Voraussetzungen und der Dauer für polizeilichen Präventivgewahrsam zur Durchsetzung von Platzverweisen und anderen Maßnahmen bezogen. Diese seien aber unbegründet, weil die entsprechenden Vorschriften verfassungskonform seien. Sie erlaubten den Präventivgewahrsam in solchen Fällen insbesondere nur als "letztes Mittel", erläuterte das Gericht.
Die Dauer des bis zu einem Monat langen Präventivgewahrsams, der laut Gesetz noch einmal um maximal einen Monat verlängert werden kann, wiederum werde "unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls von einem unabhängigen Richter festgelegt", führten die Richterinnen und Richter weiter aus. Es handle sich dabei nicht um einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit. Auch effektiver Rechtsschutz sei dabei gewährleistet.
Insbesondere die Regelungen zum polizeilichen Präventivgewahrsam waren jüngst verstärkt wieder stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, weil er gegen Klimaschutzaktivisten der Gruppe Letzte Generation angewandt wurde, die sich wiederholt an Straßenblockaden beteiligt hatten. Kritiker sahen sich in ihrer Auffassung bestätigt, dass das primär auf die Verhinderung schwerer Straftaten wie etwa Anschlägen gemünzte Gesetz von den Behörden zur Behinderung unliebsamer Protestformen genutzt werden könnte.
bro/cfm