Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hat den Parteiaustritt von Sahra Wagenknecht und neun weiteren Abgeordneten als "unverantwortlich und inakzeptabel" kritisiert. Bartsch bestätigte am Montag, dass die zehn betroffenen Abgeordneten trotz ihres Parteiaustritts einen Antrag auf Verbleib in der Linksfraktion gestellt hätten. "Unsere Fraktion wird souverän und in großer Ruhe darüber entscheiden", kündigte Bartsch an. Zu den Ausgetretenen zählt auch die bisherige Ko-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali.
Wagenknecht hatte zuvor in der Pressekonferenz zur Bekanntgabe ihrer Parteigründungs-Pläne gesagt: "Wir wollen in der Fraktion bleiben, so lange wie das möglich ist." Ihrer Ansicht nach sei es "sinnvoll, die Fraktion zunächst aufrecht zu erhalten". Die Forderung der Linken-Parteiführung, ihr Bundestagsmandat zurückzugeben, wies Wagenknecht zurück.
Die drei direkt gewählten Linken-Bundestagsabgeordneten, denen die Linke ihren Einzug in den Bundestag nach der Wahl 2021 verdankt, forderten die Wagenknecht-Gruppe zur Abgabe ihrer Mandate auf. Die Abgeordneten Gesine Lötzsch, Sören Pellmann und Gregor Gysi warfen Wagenknecht und ihren Gefolgsleuten in einer gemeinsamen Erklärung einen "höchst unmoralischen 'Diebstahl'" vor.
Die Wagenknecht-Gruppe könne nicht ihre als Linken-Kandidaten gewonnenen Mandate behalten und gleichzeitig "eine Konkurrenz-Partei aufbauen", erklärten sie. Die drei Abgeordneten erinnerten daran, dass die Linke bei der letzten Bundestagswahl die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt habe und nur deshalb in den Bundestag eingezogen sei, weil sie - Lötzsch, Pellmann und Gysi - drei Direktmandate errungen hätten.
Der frühere Linken-Parteichef Bernd Riexinger hält einen Verbleib von Wagenknecht und ihren Unterstützern in der Bundestagsfraktion für ausgeschlossen. "Nach diesem Auftritt ist das nicht vorstellbar", sagte Riexinger der "Rheinischen Post". "Das Tischtuch ist zerschnitten."
Sollte die Wagenknecht-Gruppe die derzeit 38 Abgeordnete umfassende Linksfraktion verlassen, würde diese ihren Fraktionsstatus verlieren. Die Folge wären weniger Finanzzuweisungen aus dem Bundestagsetat und weniger Rechte im Parlamentsbetrieb. Dann stünden auch die Jobs der mehr als 100 Fraktionsmitarbeiter auf dem Spiel.
Scharfe Kritik übte Fraktionschef Bartsch in seiner Erklärung an Wagenknechts Äußerung zum Gazastreifen: Sie hatte diesen in ihre Pressekonferenz als "Freiluftgefängnis" bezeichnet. Dazu erklärte Bartsch: "Ich distanziere mich auf das Schärfste." Es gehe "gerade in diesen Zeiten um Haltung".
Wagenknecht hatte in der Pressekonferenz zum Krieg im Nahen Osten gesagt: "Selbstverständlich hat Israel das Recht, gegen diese brutalen Angriffe der Hamas sich zu verteidigen." Der Konflikt habe aber eine "Vorgeschichte", und dazu gehöre, dass der Gazastreifen ein "Freiluftgefängnis" sei.
Auf die Rückfrage, ob in ihren Augen also die israelische Regierung als "Gefängniswärter" dieses "Freiluftgefängnisses" auftrete, antwortete Wagenknecht ausweichend. Der Nahost-Konflikt lasse sich nur durch eine Zwei-Staaten-Lösung beilegen, sagte Wagenknecht - und fügte hinzu: "Ich bedauere, dass das bei der jetzigen israelischen Regierung zunächst einmal nicht unterstützt wird."
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