Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) ist am Dienstag zu ihrem ersten Besuch im Golf-Emirat Katar eingetroffen. In der Hauptstadt Doha will sich die Ministerin zunächst mit dem Leiter des Projektbüros der Internationalen Arbeitsorganisation ILO treffen. Vor und während der Fußall-Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr hatte die oft schlechte Behandlung der rund 2,6 Millionen ausländischen Arbeitsmigranten in Katar viel internationale Kritik auf sich gezogen. Inzwischen bescheinigt die ILO dem Land Fortschritte bei den Arbeitnehmerrechten.
Baerbocks politische Gespräche mit dem Außenminister und dem Emir von Katar sind für Mittwochvormittag geplant. Dabei soll es auch um die Energiepolitik gehen - Katars Bedeutung als Gaslieferant für Deutschland wächst und wird in den kommenden Jahren noch weiter zunehmen.
Auch um die Krisenherde der Region - vor allem Jemen und Sudan - und um die Lage in Afghanistan soll es in Doha gehen. Der Kleinstaat Katar betreibt eine engagierte regionale Außenpolitik und gilt als gewichtige diplomatische Kraft. Baerbock traf aus Saudi-Arabien kommend in Katar ein.
Als Gastland der Fußball-WM 2022 war Katar international in die Kritik geraten. Arbeitnehmerorganisationen und Menschenrechtsaktivisten bemängelten schwere Rechtsverstöße in dem Emirat, insbesondere bei der Unterdrückung von Frauen und sexueller Minderheiten sowie beim Umgang mit Arbeitsmigranten aus Asien und Afrika in den Bereichen Bau, Sicherheit, Gastgewerbe und Hausarbeit.
Angesichts des internationalen Drucks beschloss das WM-Gastgeberland zwischen 2018 und 2021 mehrere Reformen des Arbeitsmarktes, die von der ILO und internationalen Gewerkschaften mit Anerkennung gewürdigt wurden. Im März 2021 wurde ein Mindestlohn von etwa 270 Euro im Monat eingeführt. Zudem werden Arbeitskräfte nun im Sommer vor Außen-Arbeiten in extremer Hitze zur Mittagszeit geschützt. Des weiteren dürfen Wanderarbeiter inzwischen anders als früher den Arbeitgeber ohne dessen Zustimmung wechseln.
Der Fokus richtet sich nun auf die Umsetzung der Reformen. Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International weisen auf Defizite bei der Umsetzung hin. Katar strebt aber offenbar eine weitere Profilierung auf diesem Gebiet an. Der britische "Guardian" berichtete am Dienstag, dass Katars Arbeitsminister Ali bin Said al-Marri den Vorsitz der ILO-Jahreskonferenz im Juni in Genf übernehmen werde.
Deutschland und Katar unterhalten intensive Handelsbeziehungen. Im vergangenen Jahr schlossen beiden Länder einen auf 15 Jahre befristeten Vertrag zur Lieferung von Flüssiggas (LNG) ab: Ab 2026 sollen jedes Jahr bis zu zwei Millionen Tonnen LNG an der deutschen Küste angelandet werden.
Die deutschen Exporte nach Katar betrugen 2020 rund 1,1 Milliarden Euro, die Importe beliefen sich auf rund 300 Millionen Euro. Katar ist einer der größten ausländischen Investoren in Deutschland und unter anderem an Volkswagen, der Deutschen Bank, Siemens und Hapag-Lloyd substanziell beteiligt. Im vergangenen Jahr übernahm Katar zehn Prozent des deutschen Energiekonzerns RWE. Für die kommenden Jahre hat Katar weitere umfangreiche Investitionen in Deutschland angekündigt.
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