Bei ihrem China-Besuch hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Bedeutung einer Deeskalation im angespannten Verhältnis zwischen China und Taiwan hervorgehoben. 50 Prozent des Welthandels und 70 Prozent der Halbleiter passierten die Straße von Taiwan, sagte Baerbock am Donnerstag im chinesischen Tianjin. "Das heißt, die freie Zufahrt in die Straße von Taiwan ist auch in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse", betonte sie. Die Spannungen in der Region könnten Deutschland und der EU damit "nicht egal sein".
Eine militärische Eskalation zwischen China und Taiwan wäre "ein Worst-Case-Szenario weltweit, aber besonders für uns als eine der größten Industrienationen", sagte Baerbock. Daher bemühe sich die Bundesregierung gemeinsam mit Partnern weltweit, die Spannungen in der Region abzubauen und eine weitere Eskalation zu verhindern.
Baerbocks Besuch findet vor dem Hintergrund verschärfter Spannungen rund um Taiwan statt. Die chinesische Armee hatte kürzlich in einem dreitägigen Großmanöver die Umzingelung Taiwans geübt. Seit der politischen Spaltung zwischen Festlandchina und Taiwan im Jahr 1949 betrachtet Peking die Insel als abtrünniges Gebiet, das es wieder mit dem Festland vereinigen will - notfalls mit militärischer Gewalt.
Zuletzt hatten Äußerungen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zur China- und Taiwan-Politik im westlichen Lager für Wirbel gesorgt. Macron hatte nach einem Besuch in China mit Blick auf die USA gesagt, Europa dürfe in der Taiwan-Frage kein "Mitläufer" sein und nicht zum "Vasallen" werden.
Mit Blick auf Macron sagte Baerbock, es sei ein wichtiges Zeichen gewesen, dass dieser gemeinsam mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen China besucht habe. Dies mache deutlich, dass die EU-Mitgliedstaaten angesichts des gemeinsamen Binnenmarktes "gar keine unterschiedlichen Positionen zum größten Handelspartner" der EU haben könnten. Macron habe überdies am Mittwoch noch einmal "unterstrichen, dass die französische China-Politik eins zu eins die europäische China-Politik widerspiegelt".
Bei ihrem dreitägigen China-Besuch will Baerbock nach eigenen Worten zudem dafür werben, dass sich China als ständiges Mitglied im UN-Sicherheitsrat und als das Land mit dem "meisten Einfluss auf Russland" "für den Frieden in der Welt einsetzt und mit daran wirkt, dass der brutale russische Angriffskrieg endlich gerecht beendet wird".
Für Freitag und Samstag sind laut Auswärtigem Amt unter anderem Gespräche Baerbocks mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang, dem ranghohen chinesischen Außenpolitiker Wang Yi und dem stellvertretenden Staatspräsidenten Han Zheng geplant. Im Anschluss will die Ministerin am Samstag nach Südkorea weiterfliegen. Am Sonntag reist Baerbock dann zum Außenministertreffen der G7-Staatengruppe nach Japan.
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