Mit eintägiger Verzögerung hat im Prozess gegen einen weißen Ex-Polizisten wegen des gewaltsamen Todes des Afroamerikaners George Floyd die Jury-Auswahl begonnen. Richter Peter Cahill begann am Dienstag in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota mit der Unterrichtung und Befragung möglicher Geschworener. Dann waren Verteidigung und Staatsanwaltschaft am Zug.
Für die Auswahl der zwölf Geschworenen sind drei Wochen veranschlagt. Ende März sollen dann die inhaltlichen Verhandlungen beginnen.
Die Jury-Auswahl ist höchst komplex: Die Geschworenen müssen unvoreingenommen in die Hauptverhandlung gehen. Allerdings ist über Floyds Tod am 25. Mai 2020 und das Vorgehen des angeklagten Ex-Polizisten Derek Chauvin umfassend berichtet worden. Staatsanwaltschaft und Verteidigung werden zahlreiche Fragen stellen, um zu prüfen, ob die Jury-Kandidaten sich bereits eine Meinung zu dem Fall gebildet haben.
Floyds auf einem Handyvideo festgehaltener Tod hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt und beispiellose Proteste ausgelöst. Chauvin hatte dem wegen Falschgeld-Vorwürfen festgenommenen 46-Jährigen rund neun Minuten lang auf offener Straße das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl Floyd mehr als 20 Mal klagte, er bekomme keine Luft.
Floyds Satz "I can't breathe" - "Ich kann nicht atmen" oder "Ich bekomme keine Luft" - wurde zu einem Motto der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze. Die teilweise von Ausschreitungen überschatteten Proteste hielten die USA wochenlang in Atem.
Der Prozess gegen Chauvin findet deswegen enorme Beachtung. Er findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt und wird live übertragen.
Die Auswahl der Geschworenen hätte eigentlich bereits am Montag beginnen sollen. Dies verzögerte sich, weil nach wie vor ungeklärt ist, ob im Prozess ein dritter Anklagepunkt gegen Chauvin zugelassen wird. Richter Cahill entschied aber, trotz dieser offenen Frage mit der Jury-Auswahl zu beginnen.
Dem nach Floyds Tod entlassenen Polizisten wird unter anderem "Mord zweiten Grades" zur Last gelegt. Das entspricht einem Totschlag in einem besonders schwerem Fall, wenn auch ohne Tötungsabsicht, und kann mit bis zu 40 Jahren Gefängnis bestraft werden. Ein zweiter Anklagepunkt lautet "Totschlag zweiten Grades".
Die Anklage will außerdem, dass dem 44-Jährigen auch wegen "Mord dritten Grades" der Prozess gemacht wird. Sollte Chauvin vom Vorwurf des Mordes zweiten Grades freigesprochen werden, könnte er dann immer noch wegen Mordes dritten Grades verurteilt werden. Darauf steht eine Höchststrafe von 25 Jahren. Auf Totschlag zweiten Grades steht eine Höchststrafe von zehn Jahren.
by Kerem Yucel