Bei dem vielfach kritisierten Auftritt eines Vertreters der radikalislamischen Taliban in einer Kölner Moschee sind dem nordrhein-westfälischen Innenminister Herbert Reul (CDU) zufolge nach bisherigen Kenntnisstand der Behörden "keine strafrechtlich relevanten Äußerungen" gefallen. Diese hätten daher theoretisch auch gar nicht einschreiten können, sagte Reul am Montag in Düsseldorf. Zugleich müssten sämtliche Hintergründe des Geschehens aufgeklärt werden.
Ein ranghoher Funktionär der seit 2021 in Afghanistan herrschenden und von Deutschland diplomatisch nicht anerkannten Taliban-Regierung hatte nach Angaben der Bundesregierung sowie des deutsch-türkischen Moscheeverbands Ditib am Donnerstag an einer politischen Veranstaltung eines Kulturvereins in einer Moschee im Kölner Stadtteil Chorweiler teilgenommen. Regierung und Ditib äußerten sich entsetzt und kritisierten die Veranstalter scharf.
Nach Angaben des Auswärtigen Amts, das den Taliban-Vertreter als Abdul Bari Omar identifizierte, war die Reise nicht angekündigt worden. Deutsche Stellen stellten dem Mann demnach auch kein Visum aus. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete dessen Auftritt als "vollkommen inakzeptabel" und kündigte ebenso wie das Außenministerium eine intensive Untersuchung an.
Nach Ditib-Angaben handelte es sich um eine "unautorisierte Veranstaltung" des Kulturvereins, die dieser ohne das Wissen der Moscheegemeinde durch den Bruch vertraglicher Verpflichtungen in deren Räumen organisierte. Auch der Verband kündigte eine Aufarbeitung an. Die Ditib distanziere sich "in aller Entschiedenheit unmissverständlich von Extremismus, Terror und Gewalt" und verurteile den Auftritt des Taliban "aufs Schärfste", hieß es.
Zugleich allerdings müssten staatliche Stellen klären, wie "diese Person" nach Deutschland einreisen und "hier frei für die menschenverachtende Praxis der Taliban" habe werben können, erklärte der Verband am Samstag.
Landesinnenminister Reul zufolge dauerten die Auswertungen des Geschehens durch die nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden an. Nach jüngstem Stand seien bei dem Auftritt allerdings "keine strafrechtlich relevanten Äußerungen" getätigt worden, die ein behördliches Einschreiten erlaubt hätten, sagte er am Donnerstag vor Journalisten nach einer bereits seit längerem geplanten Zusammenkunft mit Ditib-Vertretern. Falls sich dies ändere, würden selbstverständlich entsprechende Strafanzeigen gestellt.
Er wolle mit seinen öffentlichen Informationen "ein Stück die Debatte" um den Auftritt wieder "auf eine sachliche Ebene kriegen", fügte Reul an. Es gebe derzeit "keine neuen Erkenntnisse". Die Haltung der Landesregierung sei zugleich vollkommen klar. Ditib müsse "unmissverständlich deutlich machen, wofür sie steht" und alle Vorgänge rund um den Auftritt aufklären.
Nach jahrelanger westlicher Militärpräsenz hatten die radikalislamischen Taliban 2021 die Macht in Afghanistan zurückerobert und ein sogenanntes islamisches Emirat ausgerufen. Seither setzen sie ihre strenge Auslegung des Islams mit drakonischen Gesetzen durch und beschneiden insbesondere Frauenrechte. Frauen und Mädchen werden immer mehr vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.
bro/cfm