In den letzten Tagen war bereits durchgesickert, dass Bundeskanzlerin Merkel im weiteren Verlauf der Corona-Pandemie offenbar auf die Änderung des Infektionsschutzgesetz setzt. Im Eiltempo will die Kanzlerin die Gesetzesänderung durch Bundestag und Bundesrat peitschen. Doch bereits jetzt gibt es Widerstand gegen die Pläne der Kanzlerin.
Durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes will die Kanzlerin die bereits in einem Bund-Länder-Gipfel beschlossene “Notbremse” für alle Regionen in Deutschland, deren Inzidenzwert über 100 liegt, anwenden. Neben der erneuten Schließung der meisten Geschäfte würde in diesen Gebieten außerdem eine nächtliche Ausgangssperre eingeführt werden. Unternehmen müssten ihr Personal verstärkt auf das Coronavirus testen oder möglichst viele Mitarbeiter ins Homeoffice schicken. Sollte der Inzidenzwert gar über 200 ansteigen, müssten sämtliche Schulen wieder auf Homeschooling umsteigen. Auch Kindergärten würden bis auf eine Notbetreuung wieder schließen. Experten gehen jedoch gegen die Pläne der Kanzlerin auf die Barrikaden. Denn es gibt mehrere Gründe, die gegen die von der Kanzlerin geplanten Maßnahmen sprechen.
Einer der Kritikpunkt ist die Tatsache, dass die Kanzlerin bei ihren Entscheidungen lediglich den Inzidenzwert in den Mittelpunkt rückt.
Gerade über die Osterfeiertage hat sich aber gezeigt, “wie wenig zuverlässig dieser Indikator ist“, kritisiert jetzt FDP-Chef Christian Lindner (42) in einem Schreiben an das Kanzleramt. Zumal der Inzidenzwert auch davon abhängt, wie viel getestet wird. Im aktuellen Infektionsschutzgesetz, dessen Änderung die Kanzlerin anstrebt, werden auch Impfquote und die Bettenauslastung in den Krankenhäusern als Indikatoren genannt. Experten bezweifeln zudem die Wirksamkeit von nächtlichen Ausgangssperren. Dadurch würden selbst Spaziergänge oder sportliche Aktivitäten wie das Joggen verboten werden. Doch Zahlen aus dem Winter beweisen, dass diese Maßnahme offenbar keinen großen Einfluss auf die Zahl der Infektionen hat. Während es in Nordrhein-Westfalen keine nächtliche Ausgangssperre gegeben hat, duften die Bürger in Baden-Württemberg über Wochen in den Abendstunden nicht auf die Straße.
In beiden Bundesländrn waren die Inzidenz-Kurven trotzdem fast identisch verlaufen! Im aktuellen Schnitt verzeichnet Baden-Württemberg 80,3 Corona-Tote pro 100.000 Einwohner, während es NRW im Schnitt 81,2 Todesopfer auf 100.000 Einwohner gegeben hat.
Anlass für Kritik ist auch die Ankündigung, dass die verschärften Maßnahmen für alle Bürger gelten sollen. Also auch für Personen, die eine Covid-19-Erkrankung bereit überstanden haben oder sogar schon gegen das Virus geimpft worden sind. Zuletzt hatten sowohl Gesundheitsminister Jens Spahn (40, CDU) als auch Justizministerin Christine Lambrecht (55, SPD) dafür plädiert, geimpften Menschen ihre Freiheit zurückgeben. “Ausgangssperren sind verfassungswidrig, wenn es keine Ausnahmen für geimpfte und genesene Personen gibt, von denen keine Ansteckungsgefahr ausgeht“, kritisiert Staatsrechtler Josef Franz Lindner gegenüber der “Bild”-Zeitung. “Dass ein Geimpfter z. B. nach 21 Uhr seine Wohnung nicht mehr verlassen darf, ist eine eklatante Verletzung seiner Grundrechte“, warnt der Jurist. Zudem droht das Vorgehen der Kanzlerin in Gleichmacherei zu enden. Dabei wäre vor allem auch eine differenzierte Betrachtung der Pandemie-Lage notwendig. Nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die Ansteckung vor allem in Landkreisen mit höherer sozialer Benachteiligung fatal. Dort ist das Coronavirus zwischen 50 bis 70 Prozent tödlicher als Regionen, in denen wohlhabendere Menschen leben. Im Umkehrschluß bedeutet dies, dass in Städte wie Bitterfeld und Duisburg andere Schutzmaßnahmen notwendig sind, als in München oder Baden-Baden.
Ein weiterer Punkt ist die Besorgnis über die Entmachtung der anderen Staatsorgane. Denn die Gesetzesänderung würde der Bundesregierung erlauben, neue Maßnahmen zu treffen ohne diese mit dem Parlament abstimmen zu müssen. Aus diesem Grund kommt nun auch aus der SPD-Bundestagsfraktion Widerstand! “Die Bundesregierung will ohne den Bundestag Verordnungen erlassen. Das macht die SPD-Fraktion nicht mit“, kündigt Rechtsexperte Johannes Fechner (48, SPD) gegenüber der “Bild”-Zeitung an. Nach dessen Auffassung müssten die vom Volk gewählten Vertreter das letzte Wort haben. “Wir erteilen der Bundesregierung keinen Blankoscheck für den Lockdown“, machte der SPD-Politiker deutlich.