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Auf diese Pläne haben nicht nur Rentenexperten lange gewartet

200 Milliarden Euro für das "Generationenkapital"

Finanzminister Lindner und Arbeitsminister Heil präsentieren Konzept

Auf diese Pläne haben nicht nur Rentenexperten lange gewartet: 200 Milliarden Euro wollen Finanzminister Christian Lindner (44, FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (50, SPD) in das sogenannte „Generationenkapital“ (im Volksmund: „Aktienrente“) stecken. Das Konzept der beiden Minister ist zwar noch lange nicht beschlossen, vor allem die Grünen sind skeptisch. Trotzdem lohnt sich ein genauer Blick auf das, was da kommt.

Das Rentenproblem des Staates

Nein. Der Staat hat das Problem, dass der Finanzbedarf der gesetzlichen Rentenversicherung jedes Jahr um Milliarden steigt. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht, weil unsere Gesellschaft immer älter wird, in Zukunft also immer weniger Arbeitnehmer für immer mehr Rentner aufkommen müssen.

Der gigantische Geldtopf

Finanzminister Christian Lindner spricht von Sparkurs, doch die Summe bleibt gigantisch. Die Abgaben für Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung knallen 2024 rauf! Die Folgen: höheres Rentenalter, weniger Rente und vor allem höhere Steuerzuschüsse. Aktuell fließen jährlich rund 100 Milliarden Euro Steuergelder an die Rentenversicherung. Das Generationenkapital soll dazu beitragen, diese Lasten im Rahmen zu halten.

Investition in Aktien

Im Prinzip ist es ein großer Geldtopf, in den bis zum Jahr 2035 rund 200 Milliarden Euro fließen sollen. Sie sollen mit Krediten finanziert und weltweit in Aktien angelegt werden. Dividenden und Kursgewinne daraus (aber nicht der Geldtopf selbst!) sollen die gesetzlichen Renten mitfinanzieren. Manche sagen, das sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Dennoch ist es ein Paradigmenwechsel, der so eingeleitet wird.

Vorteile für den Staat

Sagen wir es mal so: Ich selbst würde keine Schulden machen, um das Geld in Aktien zu investieren, und ich würde auch jeder Privatperson davon abraten. Beim Staat hingegen liegt die Sache anders. Er kann sich wegen seiner erstklassigen Kreditwürdigkeit Geld zu sehr niedrigen Zinsen leihen, derzeit für unter zwei Prozent (30-jährige Bundesanleihen). Das Ausleihen von 200 Milliarden Euro kostet also aktuell jährlich etwa vier Milliarden. Investiert wird sehr langfristig, sehr international und sehr breit gestreut. Die vergangenen Jahrzehnte zeigen: Auf lange Sicht erwirtschaftet so eine Anlage immer ein Plus.

Risiken und Chancen

Hätte der Staat vor 20 Jahren etwa in die 600 wichtigsten Unternehmen Europas investiert, wäre dabei trotz Corona-, Finanz- und Energiekrise eine durchschnittliche Rendite von jährlich 6,2 Prozent rumgekommen, das sind 12 Milliarden Euro im Jahr. Abzüglich Zinsen bleiben da acht Milliarden zur Mitfinanzierung der Rente. Hier liegt meines Erachtens das größte Risiko. Die Politik könnte versucht sein, Aktien nicht nur strikt nach Renditepotenzial, sondern nach politischen Erwägungen zu kaufen. Das Problem: Investitionen z. B. in grüne Technologien oder in Unternehmen, die man aus taktischen Gründen stärken möchte, mögen zwar politisch opportun sein, werfen aber nicht unbedingt den gewünschten Gewinn ab. Es muss also gewährleistet sein, dass das Management des Aktienfonds politisch unabhängig ist und die Politik keinerlei Zugriff hat.

Auswirkungen auf die Rente

Nicht unmittelbar. Ihre Rente hängt nicht direkt am Generationenkapital und wird auch künftig nicht mit dem Auf und Ab der Börsen schwanken. Aber bei der Rente hängt alles mit allem zusammen. Wenn mehr Geld im System ist, wird sich das langfristig auch auf Beitragssätze und Rentenhöhe auswirken. Das wird zwar nicht von heute auf morgen gehen. Aber die Chancen stehen gut, dass künftige Generationen uns diesen Schritt danken werden. *Michael Heuser ist Experte beim Deutschen Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung Dieser Artikel stammt aus BILD. Das ePaper der gesamten Ausgabe gibt es hier.