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Auch vier Tage nach der US-Wahl steht der Sieger nicht fest

Trump-Herausforderer Biden ruft zur nationalen Einheit auf

Auch vier Tage nach der Präsidentschaftswahl in den USA steht der Sieger nicht fest. Zwar baute der demokratische Kandidat Joe Biden in den noch umkämpften Schlüsselstaaten seinen Vorsprung vor Amtsinhaber Donald Trump aus, doch dauerte die Auszählung der Stimmen am Samstag an. Trump setzte derweil seine wütenden Attacken wegen angeblichen Wahlbetrugs und gegen die weitere Auszählung der Stimmen fort. Offen blieb auch die Frage, welches politische Lager künftig den mächtigen US-Senat kontrollieren wird.

Angesichts des unerbittlich geführten Kampfes um das Wahlergebnis rief Biden zur nationalen Einheit auf. "Es ist an der Zeit, dass wir als eine Nation zusammenkommen, um zu heilen", sagte der ehemalige Vize-Präsident am Freitagabend (Ortszeit) in seiner Heimatstadt Wilmington im Bundesstaat Delaware. Der 77-Jährige zeigte sich zuversichtlich, dass er die Wahl am Dienstag gewonnen hat. Im Gegensatz zu Trump verzichtete Biden darauf, sich bereits zum Sieger auszurufen.

In den wichtigen Schlüsselstaaten Pennsylvania, Georgia, Arizona und Nevada lag Biden vor Trump. Die US-Sender riefen aber zunächst weiterhin keinen Wahlsieger aus, weil die Abstände zwischen den beiden Kandidaten nicht groß genug waren. Sollte Trump verlieren, wäre er der erste US-Präsident seit 1992, der bereits nach einer Amtszeit das Weiße Haus wieder verlassen muss.

Am Samstag erneuerte Trump mit einer Serie von Twitter-Kurzbotschaften seine Betrugsvorwürfe. Unter anderem behauptete er, "zehntausende Wahlzettel" seien "illegal" nach der Schließung der Wahllokale angenommen worden. Twitter verbarg alle vier Kurzbotschaften hinter dem Warnhinweis, Inhalte in den Tweets seien "umstritten und möglicherweise irreführend".

Trump hat seit der Wahl am Dienstag immer wieder angeblichen Wahlbetrug angeprangert, ohne dafür Belege vorzulegen. Zugleich mobilisierte das Präsidentenlager seine Anwälte, um mit allen Mitteln die Auszählung der Stimmen in den umkämpften Staaten anzufechten.

Bislang haben die Wahlbehörden in keinem Bundesstaat größere Fälle von Wahlbetrug angezeigt. Auch werden in vielen Bundesstaaten Briefwahlstimmen mit Poststempel vom Dienstag entsprechend dem geltenden Recht auch in den folgenden Tagen angenommen - in Pennsylvania etwa bis Freitag.

Weil vor allem Biden-Anhänger die Möglichkeit der Briefwahl nutzten und derzeit vor allem Briefwahlstimmen ausgezählt werden, wendete sich auf der Zielgeraden vielerorts das Blatt zugunsten des Herausforderers. Am Samstagvormittag (Ortszeit) kam Biden nach Angaben der US-Medien auf mindestens 253 der 270 Wahlleute, die er für einen Sieg benötigt. Trump hatte demnach 213 oder 214 Wahlleute sicher.

Ein Sieg in Pennsylvania mit seinen 20 Wahlleuten würde Biden für den Gesamtsieg reichen. Ohne Pennsylvania bräuchte der 77-Jährige zwei der ebenfalls noch nicht vergebenen Bundesstaaten Arizona (elf Wahlleute), Nevada (sechs) und Georgia (16). Auf Bundesebene erhielt Biden bei einer Rekordwahlbeteiligung nach Angaben des Senders CNN rund 74,4 Millionen Stimmen, für Trump stimmten rund 70,2 Millionen US-Bürger.

Offen war vier Tage nach der Wahl auch der Ausgang der Kongresswahl. Während die Demokraten ihre Mehrheit im Repräsentantenhaus verteidigen konnten, war die Entscheidung für den bisher von Trumps Republikanern kontrollierten Senat noch nicht gefallen. Im Bundesstaat Georgia bahnten sich zwei Stichwahlen um die Senatsmandate an, die im Januar stattfinden und am Ende doch noch den Demokraten die Mehrheit im Oberhaus bringen könnten.

Der Senat kann wichtige Gesetzesvorhaben des Präsidenten blockieren. Sollte Biden die Wahl gewinnen, hätte er mit einem weiter von den Republikanern kontrollierten Senat deutlich weniger Handlungsspielraum als Trump in seiner Amtszeit.

by Angela Weiss