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Armin Mueller-Stahl wollte kein Bundespräsident werden

Ein bewegtes Leben

Seine Augen leuchten immer noch magisch, in klarem, kraftvollem Blau. Sie sind sein optisches Markenzeichen - ein zuverlässiger Wir seiner außergewöhnlichen Schauspielkunst. Diese Augen signalisieren Eindringlichkeit ebenso wie Neugierde oder Ablehnung. Sie können warmherzig, verschmitzt, aber auch ablehnend und eisig dreinblicken. Er ist ein Multitalent: Musiker, Schauspieler, Autor, Maler. Am 17. Dezember feiert Armin Mueller-Stahl seinen 90. Geburtstag.

Wie aus Herrn Müller ein Mueller-Stahl wurde

Mueller-Stahls Vater hieß Alfred Müller, ein Bankangestellter aus Tilsit in Ostpreußen. In seinen Memoiren "Dreimal Deutschland und zurück" beschreibt der Sohn, wie aus dem doch eher einfachen Herrn Müller ein Mueller-Stahl wurde.

Der Vater hatte vor dem Krieg oft eine Tante besucht, die in den Adel eingeheiratet hatte. "Dann hieß es bei der Vorstellung immer 'Herr Müller, Freiherr von Goltz. Herr Müller, Herr von Redecki. Herr Müller, Graf Soundso'. Da war der ganze baltische und ostpreußische Adel versammelt. Und dann der Herr Müller mit fünf Kindern ohne Geld. [...] Ich kann mir vorstellen, dass das an ihm genagt hat." Dies sei die Geburtsstunde des klingenden Doppelnamens gewesen. Müller mit "ue" und Stahl nach einer früheren Verwandtschaft.

Wegen "mangelnder Begabung" vor die Tür gesetzt

Der junge Armin Mueller-Stahl wollte Musiker werden. Geiger. Sein Lehrer, der berühmte Professor Hans Mahlke, bot kostenlosen Privatunterricht an. Allerdings sagte Mahlke auch: "Du musst dich jetzt entscheiden, was du werden willst. Entweder du wirst ein schlechter Geiger mit Abitur oder ein guter Geiger ohne Abitur."

Er entschied sich für die Geige, studierte am städtischen Konservatorium in Berlin, wechselte das Fach, nahm Schauspielunterricht an der gerade neu eingerichteten Schauspielschule der DDR, bis man ihn wegen "mangelnder Begabung" vor die Tür setzte. So begann eine Weltkarriere.

Der beliebteste Schauspieler der DDR

Mueller-Stahl sprach bei der legendären Helene Weigel (1900-1971) vor, der Ehefrau des Dichters Bertolt Brecht (1898-1956) und Intendantin des Berliner Ensemble im Deutschen Theater. Sie engagierte ihn. Der gefeierte Theatermime spielte ab 1956 in zahlreichen Filmen, unter anderem mit seinem Freund Manfred Krug (1937-2016). Fünf Jahre hintereinander wurde er zum "beliebtesten Schauspieler der DDR" und 1975 zum DDR-Fernsehkünstler des Jahres gewählt.

Der mit dem Orden "Banner der Arbeit" ausgezeichnete Star schrieb aber auch Spottverse auf die Machthaber, beispielsweise auf Walter Ulbricht (1893-1973), damals der mächtigste Mann der DDR. Das hatte man ihm verziehen. Als er aber 1976 einen offenen Brief gegen die Ausbürgerung von Liedermacher Wolf Biermann (84) unterschrieb, wurden ihm kaum noch Rollen angeboten. Er stellte einen Ausreiseantrag und ging 1980 in den Westen. Da war er 50 Jahre alt.

Er scheut die Konfrontation nicht

Rasch baute Mueller-Stahl eine zweite Karriere auf. Nach der erfolgreichen Arbeit mit dem Regisseur Rainer Werner Fassbinder (1945-1982), in dessen Film "Lola" er die Hauptrolle übernahm, geriet der Schauspieler mit dem TV-Produzenten Horst Wendlandt (1922-2002) aneinander.

Später schrieb Mueller-Stahl: "Wendlandt wollte mir klarmachen, er sei in der Lage mein künstlerisches Leben zu fördern oder das Gegenteil zu tun, und es sei das Beste, wenn er die Verantwortung für meine Karriere übernähme. Da wollte jemand die Stelle des Politbüros in meinem Leben einnehmen und über mich bestimmen wie die alten Säcke in der DDR. Ich hatte keine Absichten, mir mein Leben von einem Menschen wie Wendlandt zensieren zu lassen... "

Mueller-Stahl ging in die USA und begann - mit 60 Jahren und ohne englische Sprachkenntnisse - eine Karriere in Hollywood. Mit Rollen in Filmen wie "Music Box - Die ganze Wahrheit", "Avalon", "Night on Earth" oder "Shine" erregte er künstlerisches Aufsehen. Mittlerweile besitzt der Schauspieler neben der deutschen auch die amerikanische Staatsangehörigkeit und hat noch einen Wohnsitz in Kalifornien.

Er ist Künstler, kein Serienstar

In Deutschland hat der Mime lukrative Angebote wie den Prof. Brinkmann in der "Schwarzklinik" sowie die Hauptrolle in der Krimiserie "Der Alte" abgelehnt, weil er nun mal kein Serienstar sei. Stattdessen spielte er lieber den Dichter Thomas Mann in dem Dreiteiler "Die Manns - Ein Jahrhundertroman". Auch ein Angebot von Hannelore Kohl (1933-2001), der Frau des damaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl (1930-2017), doch als Bundespräsident zu kandidieren, lehnte er ab.

Dafür präsentierte er sich anlässlich seines 70. Geburtstages mit einer Ausstellung als Maler und zehn Jahre später mit einer Tournee als Sänger, der gerade seine erste CD ("Es gibt Tage") veröffentlicht hatte. Die Texte stammen von ihm.

Seit 1973 ist Mueller-Stahl in zweiter Ehe mit der Hautärztin Gabriele Scholz verheiratet. "Ich bin einer der seltenen Außerirdischen, die eine glückliche Ehe führen", sagte er dem NDR. Das Paar lebt überwiegend in Sierksdorf an der Ostsee. Stolz auf seine Lebensleistung sei er nicht. "Ich kann mit dem Wort nicht so viel anfangen, weil es so egobehaftet ist." Eine größere Karriere in der Musik wäre schön gewesen, erklärte er der "Süddeutschen Zeitung": "Ich bilde mir ein: Ich wäre als Dirigent so gut geworden wie als Schauspieler. Weil ich merke, wie ich höre, wie ich Dinge aufnehme."

Am 90. Geburtstag wohl im Krankenhaus

Sein runder Geburtstag habe keine besondere Bedeutung für ihn, verriet Mueller-Stahl jüngst der "Super Illu": "Auch weil mir an diesen Tagen noch deutlicher bewusst wird, dass ich immer mehr an das Ende des Lebens rücke." Der Schauspieler und Sänger scheint mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. 2017 musste er unter anderem Konzerte in Sachsen-Anhalt absagen, da er laut Management konditionell nicht in der Lage dazu war.

Nur einen Tag vor seinem 90. Geburtstag wurde öffentlich, dass Mueller-Stahl im Krankenhaus sei. "Ja, mein Mann ist in der Klinik. Wann er entlassen wird, ist noch nicht klar", ließ Ehefrau Gabriele Scholz die "Bild"-Zeitung über einen Vertrauten wissen. Die Ursache für den Klinikaufenthalt ist nicht bekannt.