201032:

Angst auf Mallorca - Angriff auf Touristen! Einheimische immer extremer!

Alarm auf Mallorca! Die Wirtschaft in den spanischen Urlaubsregionen hängt stark vom Tourismus ab. Gleichzeitig sind die Einheimischen verärgert über den knappen Wohnraum und die steigenden Lebenshaltungskosten, während ihre Gehälter vergleichsweise niedrig bleiben. Am Abend werden auf Mallorca erneut Tausende von ihnen protestieren - aber das ist nicht alles. Hier die Hintergründe:

Demonstrationen gegen Massentourismus in Spanien

Auf einem Plakat zur Großdemonstration gegen den Massentourismus auf Mallorca sind Ferienflieger, Privatjets, Kreuzfahrtschiffe und Luxusjachten abgebildet, die die kleine Insel wie ein Schwarm Fliegen umkreisen. "Ändern wir den Kurs" (Canviem el rumb) steht über der Fotomontage für die am Sonntagabend in Palma angekündigte Kundgebung. Ziel ist es, dem "Tourismus Grenzen zu setzen", steht etwas kleiner auf dem Plakat. Das ist leichter gesagt als getan. Auf den Balearen, deren Hauptinsel Mallorca ist, leben knapp 1,2 Millionen Einheimische. Im vergangenen Jahr wurden sie von 18 Millionen Urlaubern besucht, davon 4,6 Millionen aus Deutschland und 3,4 Millionen aus Großbritannien. Immer mehr Einheimische empfinden dies als Belästigung. Zu der Kundgebung hat die Gruppe "Weniger Tourismus, mehr Leben" aufgerufen. Nach Angaben von Marga Ramis, einer der Anführerinnen der Bewegung, haben sich 100 Vereine und Organisationen angeschlossen, wie die "Mallorca Zeitung" berichtete. Vor acht Wochen hatten bereits bis zu 25.000 Menschen in Palma unter dem Motto "Sagen wir Basta!" und "Mallorca steht nicht zum Verkauf!" demonstriert.

Proteste auch in Málaga und Barcelona

Auch in anderen spanischen Touristenstädten wie Barcelona und Málaga sowie auf den Kanaren wächst der Unmut. Dieses Mal wollen die Demonstranten den Touristen noch näher kommen, um sicherzustellen, dass ihre Botschaft ankommt. Der Zug soll durch die engen Gassen der Altstadt von Palma führen, wo viele Touristen unterwegs sind. Für Mallorca ist der Tourismus lebenswichtig. Die Branche trägt 45 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Insel bei und brachte rund 20 Milliarden Euro in die Kassen der Insel. Doch die Demonstranten klagen, dass nur eine Minderheit profitiere, während die Mehrheit der Jobs in der Tourismusbranche niedrige Gehälter biete, die nicht ausreichten, um die immer teureren Wohnungen zu bezahlen. Zudem belasten Staus, Lärm und Schmutz die Nerven der Insulaner, die sich in ihrer Heimat angesichts der vielen Fremden selbst fremd fühlen.

Jobs in der Tourismusbranche sind schlecht bezahlt

Spanische Medien berichten zunehmend über die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse von Angestellten in der Tourismusbranche. Ein 37-Jähriger auf Ibiza erzählte der Zeitung "El País", dass er in der Instandhaltung einer Luxusvilla arbeite und zwischen 1500 und 1800 Euro im Monat verdiene. Im Februar sei er wegen einer Mieterhöhung aus seiner Wohnung geflogen und schlafe seitdem in einem Wohnwagen am Rande eines schwedischen Möbelhauses. Duschen könne er bei einem Freund. Seine "Nachbarn" in den klapprigen Wohnwagen verdienten alle zwischen 1000 und 1500 Euro im Monat. "Willkommen auf Ibiza" mit den zwei Welten der Edel-Nachtclubs und einem Leben auf dem Parkplatz, schrieb die wichtigste Zeitung des Landes. Was passieren würde, wenn die Demonstranten Erfolg hätten und viele Urlauber sich abschrecken ließen, mag sich niemand so recht ausmalen. "Ich habe Verständnis für das Unbehagen vieler Bewohner, bitte aber darum, dass solche Demonstrationen nicht, wie in Barcelona geschehen, in Vandalismus gegenüber Urlaubern und Einwohnern ausarten", sagte die konservative Regionalregierungschefin der Balearen, Marga Prohens, der "Mallorca Zeitung".

Plakate in Barcelona: "Tourists go home"

In Barcelona hatten Anfang des Monats mehrere tausend Demonstranten angesichts der steigenden Wohn- und Lebenshaltungskosten Beschränkungen für die Tourismusbranche gefordert. Gäste von Restaurants, die vor allem bei Urlaubern beliebt sind, wurden mit Wasserpistolen bespritzt. "Tourists go home. You are not welcome" stand auf den Plakaten. Der sozialistische Bürgermeister Jaume Collboni will die Steuer für Kreuzfahrttouristen erhöhen und die Lizenzen für Ferienwohnungen nicht mehr erneuern. Auch die deutsche Politik hat das Thema aufgegriffen. Die Union im Bundestag warnte vor den möglichen Auswirkungen der Proteste auf den Tourismus in Spanien. "Die Urlauber, auch aus Deutschland, sichern Arbeitsplätze, sorgen für Steuereinnahmen, die wiederum in Investitionen in die Infrastruktur vor Ort fließen", sagte die CDU-Tourismusexpertin Anja Karliczek der "Rheinischen Post". Der Tourismus sei ein "wichtiger Teil der Wirtschaftsleistung nicht nur auf Mallorca". Karliczek zeigte zugleich Verständnis für den Unmut der Einheimischen. "Aber natürlich sorgt der Overtourismus auch für Probleme."

Balearen setzen weiter auf Tourismus

Ähnlich äußerten sich die Grünen im Bundestag. Der Tourismus-Experte der Fraktion, Matthias Gastel, sagte: "Wenn Wohnraummangel, Wasserknappheit und Müllberge die Folgen von Inseltourismus sind, der von Masse statt von Qualität geprägt ist, dann ist im Interesse von Mensch und Natur Handeln angesagt." Inselchefin Prohens sieht das ähnlich. "Wir wollen einen gesellschaftlichen und politischen Pakt schließen, um die Inseln nachhaltiger aufzustellen", sagte sie. Die Tourismusbranche habe Hunderttausende Jobs und Wohlstand geschaffen, müsse aber auch sozialverträglich sein, damit sich die Menschen wohlfühlen. "Die Urlauber sind auf den Balearen willkommen, und das wird auch so bleiben", versichert Prohens.