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Angespannte Lage bei Präsidentschaftswahl in Belarus

Oppositionskandidatin setzt Amtsinhaber Lukaschenko unter Druck

Die Menschen in Belarus haben am Sonntag in angespannter Atmosphäre ihren Präsidenten gewählt. Beobachter gehen davon aus, dass der langjährige Amtsinhaber Alexander Lukaschenko seine Wiederwahl für eine sechste Amtszeit sicherstellen wird. Doch fühlt er sich durch die 37-jährige Oppositionskandidatin Swetlana Tichanowskaja, die in den Wochen vor der Wahl massiv an Zustimmung gewonnen hatte, offenkundig unter Druck gesetzt. Am Sonntag erklärte Lukaschenko, er werde nicht die "Kontrolle über die Lage verlieren".

Internationale Beobachter sind zu der Abstimmung nicht zugelassen. Schon die vergangenen vier Urnengänge in der ehemaligen Sowjetrepublik wurden wegen Betrugs und Einschüchterungen von unabhängigen Beobachtern nicht anerkannt.

Experten gehen davon aus, dass Lukaschenko auch dieses Mal seinen Sieg mit Hilfe von Wahlfälschungen sichern wird. Zumal eine Rekordzahl von 41,7 Prozent der Wahlberechtigten nach Angaben der Wahlkommission von der Möglichkeit Gebrauch machten, schon Tage vorher ihre Stimmen abzugeben - und damit genügend Zeit für Manipulationen blieb.

Doch mit ihrer Kandidatur hat Tichanowskaja den 65-jährigen Lukaschenko vor unerwartete Herausforderungen gestellt. Die 37-jährige Englischlehrerin und Übersetzerin trat an, nachdem ihr Mann, der bekannte Blogger Sergej Tichanowski, inhaftiert und von der Wahl ausgeschlossen wurde. Sie will im Falle ihres Wahlsiegs neue, freie Wahlen ansetzen, an denen auch Kandidaten wie ihr Mann teilnehmen können, die inhaftiert oder nicht zugelassen wurden.

Bei ihrer Stimmabgabe in der Hauptstadt Minsk äußerte Tichanowskaja die Hoffnung auf eine faire Wahl. "Ich möchte wirklich, dass die Wahlen ehrlich sind. Wenn die Behörden nichts zu befürchten haben und alle Menschen für Alexander Lukaschenko sind, werden wir damit einverstanden sein", sagte sie.

Die Wahllokale sollten am Sonntag bis 20.00 Uhr (Ortszeit, 19.00 Uhr MESZ) geöffnet bleiben. Am Nachmittag lag die Wahlbeteiligung bei 73,4 Prozent. Vielerorts bildeten sich lange Schlangen vor den Wahllokalen. Die Wahlkommission sah darin eine "Provokation" und "Sabotage" der Opposition.

Tichanowskaja hatte ihre Anhänger aufgerufen, nicht von der vorzeitigen Stimmabgabe Gebrauch zu machen, sondern erst am Sonntag zu wählen, um Wahlfälschungen zu erschweren. Die Leiterin der Wahlkommission, Lidia Ermotschina, warf den "Protestwählern" vor, die Wahlkabinen absichtlich lange zu besetzen. Deshalb hätten sich lange Schlangen gebildet, sagte sie dem belarussischen Fernsehen.

Viele der Wähler trugen weiße Armbänder - das Erkennungszeichen der Anhänger Tichanowskajas. 26 Jahre Lukaschenko seien eine "sehr lange Zeit, wir brauchen frisches Blut", sagte eine 33-jährige Geschäftsfrau und fügte hinzu: "Ich habe für Tichanowskaja gestimmt." Obwohl die Behörden vor der Wahl massiv gegen die Opposition vorgingen, hatten Zehntausende an den Wahlkampfveranstaltungen der Oppositionskandidatin teilgenommen.

Zum Wahltag verschärften die Behörden die Sicherheitsvorkehrungen massiv. In ganz Minsk waren Polizeipatrouillen zu sehen, Regierungsgebäude wurden mit Metallbarrieren abgeriegelt. Augenzeugen berichteten der Nachrichtenagentur AFP von gepanzerten Fahrzeugen und bewaffneten Soldaten an wichtigen Zufahrtsstraßen.

Einwohner berichteten von Problemen, auf die Internetseiten unabhängiger Medien zuzugreifen. Die Video-Plattform YouTube, verschlüsselte Messengerdienste wie Telegram und VPN-Verbindungen waren stark verlangsamt.

Bereits am Vortag war Tichanowskajas Wahlkampfleiterin Maria Moros festgenommen worden. Der Grund für die Festnahme war demnach zunächst unklar. Am Samstagabend wurde außerdem Tichanowskajas Mitstreiterin Maria Kolesnikowa kurzzeitig festgenommen. Eine weitere politische Verbündete Tichanowskajas, Weronika Zepkalo, flüchtete am Sonntag vorsichtshalber nach Russland.

by Von Tatiana Kalinovskaya