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Angela Merkel: Ihre seltenen emotionalen Momente

Flüchtlingskrise bis Pandemie

Es gibt nicht viele Momente in Angela Merkels (66) 15-jähriger Kanzlerinnenschaft, die man als "emotional" betiteln könnte. Die Rede, die sie nun im Bundestag gehalten hat, um für eine schnelle Verschärfung der Corona-Maßnahmen zu plädieren, gehört aber definitiv dazu. Mit großen Gesten, geballten Fäusten und teilweise gebrochener Stimme flehte Merkel: "Wenn wir jetzt zu viele Kontakte vor Weihnachten haben und anschließend es das letzte Weihnachten mit den Großeltern war, dann werden wir etwas versäumt haben, das sollten wir nicht tun." Die Härte der Maßnahmen tue ihr "wirklich im Herzen leid", aber 590 Todesfälle am Tag seien nicht akzeptabel. Die Medien bezeichnen den Appell als "Merkels Ausbruch" und "emotionalste Rede". Doch es gibt auch andere Momente, die die Kanzlerin in ihrer politischen Karriere aufgewühlt haben.

Corona, die erste

Nicht ganz so emotional wie im Dezember, aber ebenso dringlich, zeigte sich die Kanzlerin schon am Anfang der Pandemie - inklusive geplantem "Versprecher" für die Dramatik. "Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst. Seit der Deutschen Einheit, nein, seit dem Zweiten Weltkrieg gab es keine Herausforderung an unser Land mehr, bei der es so sehr auf unser gemeinsames solidarisches Handeln ankommt", sagte sie am 18. März mit eindringlichem Blick in die Kamera. Es war die erste Fernsehansprache ihrer Amtszeit, in der sie sich aus aktuellem Anlass an die Bürger wendete. Schon damals sprachen die Zeitungen von einer für Merkel ungewöhnlich emotionalen Ansprache.

"Dann ist das nicht mein Land"

2015, mitten in der Flüchtlingskrise. In der Bundespressekonferenz schreibt Merkel mit ihrem Kern-Slogan zur Willkommenskultur Geschichte: "Wir schaffen das." Noch lange wird sie sich für diese Einstellung und das Offenhalten der Grenzen rechtfertigen müssen. Wenige Wochen später, bei einer Pressekonferenz mit Österreichs Kanzler Werner Faymann (60), scheint ihr der Geduldsfaden in dieser Hinsicht zu platzen: "Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."

Der unangenehmste Moment

Wie gesagt: Die Flüchtlingsfrage verfolgte Merkel. In Erinnerung geblieben ist auch der etwas unbeholfene Moment, als sie einem palästinensischen Mädchen mit großen Träumen aber ungewissem Aufenthaltsstatus erklären musste, dass sie nicht helfen könne. In einer Dialogrunde mit Schülern in Rostock musste sie ihr ins Gesicht sagen, dass sie ihr nichts versprechen könne: "Es werden manche auch wieder zurück gehen müssen..." Als das Mädchen zu weinen anfängt, ist Merkel die Situation so unangenehm, dass sie sich nicht anders zu helfen weiß, als das weinende Mädchen "trotzdem einmal streicheln" zu wollen.

Verständnis für Ost-Deutsche

Noch ein Thema, das Merkel scheinbar persönlich berührt, ist der Mauerfall: In einem leidenschaftlichen Appell warb sie 2019 für mehr Verständnis für den Frust der Ostdeutschen. Bei der Sommerpressekonferenz in Berlin erklärte die Kanzlerin, die selbst in der DDR aufgewachsen war: "Das Problem eines Lebens in der DDR ist einfach, dass man so vieles gemacht hat, was in der alten Bundesrepublik nicht mehr gebraucht wird."

Man hätte Techniken und ostdeutsche Fähigkeiten fürs Leben entwickelt, die man heute nicht mehr brauche. "Und das bekümmert einen natürlich manchmal", sagte die Kanzlerin. "Wir waren ja, man war ja fleißig in der DDR." Nach ihrer nachdenklichen Antwort entschuldigte sich die Kanzlerin sogar für ihre ausschweifende Antwort.