Ja, seit Juli sind gemischt-geschlechtliche Teams auch im Hessen-Fußball erlaubt (zuvor nur in Bayern und Niedersachsen). Möglich macht das ein auf 48 Monate angelegtes DFB-Pilotprojekt. Frauen ab 18 Jahren können künftig in Herren-Mannschaften in allen Pflicht- und Freundschaftsspielen zum Einsatz kommen.
Sabrina Wandrei (27), Torhüterin in der Frauen-Mannschaft des KSV Hessen Kassel und ehemalige Junioren-Nationalspielerin, ist die erste Spielerin, die von der Änderung Gebrauch macht. Für den Herren-Verbandsligisten SC Willingen stand sie bei einem Testspiel 45 Minuten zwischen den Pfosten. Zudem spielte sie bei einem Turnier mit.
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Schon in der Jugend trainierte sie in verschiedenen Jungen-Mannschaften mit. Jetzt darf sie auch mitspielen. Vier Tage nach Regelstart hatte sie schon Kontakt zur Passstelle. Das Zweitspielrecht wurde bedingungslos genehmigt. Nun trainiert Wandrei mindestens einmal pro Woche bei den Männern in Willingen. Nimmt die Strecke von Kassel nach Willingen (Fahrtzeit: 75 Minuten) gerne auf sich. Zusätzlich unterstützt sie ihren Trainer Jens Rüppel (53) als spielende Torwarttrainerin.
Zu schlecht sind ihr die Frauen in ihrem Team übrigens nicht. Auch wenn sie grundsätzlich mit Blick auf das Leistungsvermögen von Frauen im Fußball ein spannendes Beispiel heranzieht: „Alexandra Popp (32) kann bestenfalls Regionalliga – dann ist Schluss!“ Alexandra Popp bei der WM unsere Kapitänin Wandrei: „Es ist einfach von der Körperlichkeit und vom Tempo her etwas komplett anderes – auch von der Athletik und Dynamik. Männer schießen fester. Hier im Spiel hatte ich nach 30 Sekunden einen Fuß im Gesicht. Im Frauenfußball hätte ich überhaupt keinen Körperkontakt gehabt. Bei den Frauen dauert eben alles etwas länger. Da kann ich den Ball erst dreimal stoppen und dann weiterspielen. Bei den Männern muss ich den Ball direkt weiterspielen, sonst habe ich ein Problem.“
Ihr Trainer bei Hessen Kassel hat mit der zusätzlichen sportlichen Belastung kein Problem. Allerdings könnten zeitgleiche Spielansetzungen in Zukunft zum Problem werden. Wandrei: „Er hat gesagt, solange ich mich nicht verletzte und der Fokus auf den Aufstieg in die Regionalliga liegt, ist das okay für ihn. Er hat auch keinen Nachteil dadurch. Priorität hat Hessen Kassel, aber wenn bei den Männern mal der Torwart ausfällt oder irgendwas passiert, habe ich das Zweitspielrecht und könnte einspringen“.
Im neuen Team ist Wandrei fester Bestandteil und fühlt sich wohl. Den ein oder anderen komischen Blick gab es anfangs aber schon. Leider musste sie auch negative Erfahrungen machen. Unter einem Bericht der Fuldaer Zeitung auf Facebook gab es viele Hasskommentare. Viele Männer waren von der Regeländerung überhaupt nicht begeistert und haben sich darüber lustig gemacht. Inzwischen lässt sie das aber komplett kalt. Wandrei: „Am liebsten hätte ich alles zurück kommentiert. Aber relativ schnell konnte ich darüber lachen und habe mir gedacht: ‘Kommt ihr erst mal selbst klar‘. Ich mache mein Ding und wenn wer ein Problem damit hat, soll er es mir sagen. Aber das ist bisher noch nicht passiert. Generell finde ich dieses Urteil, alle Frauen in eine Schublade zu packen und zu sagen: ‘Frauenfußball ist scheiße, du kannst eh nichts, was willst du hier überhaupt‘ – das geht einfach nicht. Es gibt genug Frauen, die viele Männer platt machen. Aber das sind dann Männer, die irgendwo in der Kreisliga spielen und selber ständig über ihre eigenen Füße stolpern und dann große Klappe haben. Aber mittlerweile bin ich soweit, dass ich mich umdrehe und weggehe, weil ich so Leute einfach nicht mehr ernst nehmen kann.“
Wandrei: „Nein, ich habe eine eigene Kabine. Die Frage, wie das mit dem Umziehen ist, habe ich schon zigmal gestellt bekommen. Früher war das so, da habe ich mich auch in der Kabine mit den anderen Jungs umgezogen. Bis heute verstehe ich nicht, wo das Problem ist, wenn man sich kurz ein T-Shirt und Fußballschuhe anzieht“.