In der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt hat Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) die von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) gestellten Fragen beantwortet. Die Antworten seien eingegangen, bestätigte eine Sprecherin der Staatskanzlei. Wann Söder dazu Stellung nehmen will, blieb offen; auch zum Inhalt der Antworten wurde zunächst nichts bekannt. Freie-Wähler-Generalsekretärin Susann Enders sagte zur Bayern-Wahl am 8. Oktober, es werde keinen Landtagswahlkampf ihrer Partei "ohne Hubert Aiwanger an der Spitze" geben.
Söder hatte Aiwanger erstmals am Dienstag aufgefordert, schriftlich 25 Fragen in Zusammenhang mit den Vorwürfen um ein antisemitisches Flugblatt zu beantworten. Am Freitagmorgen hatte der Ministerpräsident den Druck noch einmal erhöht. "Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden - und zwar zeitnah", sagte er. "Zeitnah heißt, am besten noch heute." Dem kam Aiwanger am Freitagabend nach.
Am Donnerstag hatte sich Aiwanger erstmals für mögliche Fehler in seiner Jugendzeit entschuldigt. Seine Entschuldigung gelte "zuvorderst allen Opfern des NS-Regimes, deren Hinterbliebenen und allen Beteiligten an der wertvollen Erinnerungsarbeit". Zugleich sprach er angesichts der Vorwürfe erneut von einer politischen Kampagne gegen ihn und seine Partei.
Aiwanger räumte ein, dass Exemplare des Flugblatts in seinem Schulranzen gefunden wurden. Er bestreitet aber, der Urheber zu sein. Sein Bruder hatte am vergangenen Wochenende dafür die Verantwortung übernommen.
Ungeachtet der nicht ausgeräumten Vorwürfe hält seine Partei an Aiwanger fest. "Die Freien Wähler und Hubert Aiwanger lassen sich nicht voneinander trennen", sagte Generalsekretärin Enders der "Welt am Sonntag". Sie fügte hinzu: "Den Freie-Wähler-Landtagswahlkampf ohne Hubert Aiwanger an der Spitze wird es nicht geben, auch wenn das der CSU vielleicht besser gefallen würde."
Die Stimmung unter Wählern und an der Basis gebe diesem Kurs recht, sagte Enders. Seit vergangenem Montag seien bei der Partei jeden Tag Mitgliedsanträge "im zweistelligen Bereich" eingegangen.
Der rheinland-pfälzische Freie-Wähler-Chef und Landtagsabgeordnete Stephan Wefelscheid sagte allerdings der "Welt am Sonntag": "Sollte Hubert Aiwanger die Vorwürfe nicht entkräften können, ist er in seinem Amt und damit als Bundesvorsitzender der Freien Wähler nicht zu halten."
Der Zentralrat der Juden in Deutschland übte erneut scharfe Kritik an Aiwanger. "Ich hoffe nicht, dass dies jemand als Vorbild sieht", sagte Zentralratspräsident Josef Schuster am Freitagabend im ZDF-"heute journal". "Was mich ehrlicherweise am meisten erschüttert, ist der Umgang Aiwangers mit diesen Vorwürfen, die nunmehr seit einer Woche im Raum stehen und von denen er selbst bereits vorab wusste."
Zwar habe er Aiwangers spätere Erklärung so verstanden, dass sich dieser "für das Pamphlet und dessen Inhalt entschuldigt" habe. Fakt sei aber, dass "dieses Pamphlet in seinem Rucksack gefunden wurde", sagte Schuster. "Eine Verbindung dazu scheint er ja wohl zu haben. Denn selten fliegen Dinge von ganz allein in einen Rucksack."
Einer Insa-Umfrage für die "Bild am Sonntag" zufolge sind die Bundesbürger beim Thema Aiwanger gespalten. 38 Prozent sprachen sich demnach für einen Rücktritt des bayerischen Wirtschaftsministers aus, 39 Prozent waren dagegen. 23 Prozent antworteten mit "weiß nicht" oder machten keine Angabe. Das Insa-Institut befragte am Donnerstag und Freitag 1005 Menschen in Deutschland.
cha/dja