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Äthiopiens Armee startet Offensive auf Tigrays Hauptstadt Mekele

Regionalregierung: Auch Zivilisten angegriffen - UNO ruft zu Hilfe für Flüchtlinge auf

Die äthiopische Armee hat im Konflikt um die abtrünnige Region Tigray mit einer Militäroffensive auf die Regionalhauptstadt Mekele begonnen. Die Stadt wurde nach Angaben von Entwicklungshelfern am Samstag von "schweren Geschossen" getroffen. Nach Angaben der Regionalregierung wurde das Stadtzentrum mit "schweren Waffen und Artillerie" angegriffen. Zu den Zielen zählten demnach auch Zivilisten und Infrastruktur. Die UNO rief zu Hilfen für die Tigray-Flüchtlinge auf.

Die Region Tigray rufe "alle, die ein reines Gewissen haben, einschließlich der internationalen Gemeinschaft, dazu auf, die Angriffe und Massaker mit Artillerie und Kampfflugzeugen zu verurteilen", hieß es in einer im Fernsehen verlesenen Erklärung der Regionalregierung. Bereits am Vortag seien "mehrere Viertel in Mekele von Militärflugzeugen bombardiert" worden.

Die Überprüfung von Aussagen der Konfliktparteien ist schwierig, da die Region seit Beginn der Unruhen praktisch von der Welt abgeschnitten ist. Allerdings bestätigten Entwicklungshelfer der Nachrichtenagentur AFP den Angriff auf Mekele - ohne jedoch Einzelheiten nennen zu können.

Äthiopiens Regierungschef Abiy Ahmed hatte die Offensive am Donnerstag angekündigt. Er habe die Armee angewiesen, "die dritte und letzte Phase" im Vorgehen gegen die in Tigray regierende Volksbefreiungsfront TPLF einzuleiten. Bei dem Angriff werde "alles getan", um die Zivilbevölkerung zu schützen und Mekele mit seinen 500.000 Einwohnern vor "größerem Schaden" zu bewahren, erklärte Abiy.

Menschenrechtsorganisationen hatten im Vorfeld gewarnt, dass die Bombardierung von Mekele ein Kriegsverbrechen darstellen könnte. Die Organisation Human Rights Watch wies darauf hin, dass Warnungen des äthiopischen Militärs an die Zivilbevölkerung allein nicht ausreichen würden. Dies treffe insbesondere dann zu, wenn Luftstreitkräfte und schwere Waffen in überfüllten städtischen Gebieten eingesetzt würden.

In Tigray gibt es bereits seit Monaten Spannungen. Die dort regierende TPLF dominierte drei Jahrzehnte lang die äthiopische Politik, bevor der aktuelle äthiopische Regierungschef Abiy 2018 an die Macht kam. Die TPLF erkennt Abiy nicht an, der im vergangenen Jahr mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden war.

Anfang des Monats sandte Abiy Streitkräfte nach Tigray, wodurch der Konflikt mit der TPLF vollends entbrannte. Abiy hat die Appelle internationaler Politiker, die Kämpfe einzustellen und einen Vermittler in dem Konflikt zuzulassen, zurückgewiesen. Er werde die Militäroffensive in der Region im Norden des Landes fortsetzen, erklärte er am Freitag auch nach Gesprächen mit Gesandten der Afrikanischen Union (AU).

Mehrere tausend Menschen sind nach Schätzungen der auf Konflikte spezialisierten International Crisis Group (ICG) bei den Kämpfen in Äthiopien bisher getötet worden. Mehr als 43.000 Menschen flohen nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) aus dem Konfliktgebiet, die meisten in den Sudan. Beobachter befürchten, dass sich die Gefechte ausweiten und die ganze Region destabilisieren könnten.

Um die Flüchtlinge zu versorgen braucht der Sudan nach Angaben von UN-Flüchtlingskommissar Filippo Grandi umgerechnet rund 125 Millionen Euro. Dieses Geld werde gebracht, um zumindest für sechs Monate die Geflüchteten aus dem Nachbarland zu versorgen. Grandi rief bei einem Besuch in dem rund 80 Kilometer von der Grenze entfernten Flüchtlingslager Um Rakuba die Weltgemeinschaft zu Spenden auf, um den Menschen Wasser, eine Unterkunft und medizinische Versorgung geben zu können.

by Von Robbie COREY-BOULET