Die Bundesregierung hat in der Nacht zum Donnerstag acht deutsche mutmaßliche IS-Anhängerinnen sowie deren insgesamt 23 Kinder aus dem Nordosten Syriens nach Deutschland geholt. Die Frauen sollen vor einiger Zeit in die Region gereist sein, um sich der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) anzuschließen, und zuletzt in kurdisch kontrollierten Lagern gelebt haben. Nach ihrer Ankunft wurden einige von ihnen noch am Flughafen Frankfurt am Main verhaftet. Bis Donnerstagnachmittag wurden drei der Haftbefehle in Vollzug gesetzt.
Wie Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) in Berlin mitteilte, organisierte Deutschland die Rückholung gemeinsam mit Dänemark, das 14 Kinder und drei Frauen aus Syrien zurückholte. Die USA leisteten demnach logistische Unterstützung. "Die Kinder trifft keine Schuld an ihrer Lage", hob Maas in der Mitteilung hervor. Sie seien unverschuldet in eine Notlage geraten. Es sei daher "richtig, dass wir alles dafür tun, ihnen ein Leben in Sicherheit und einem guten Umfeld zu ermöglichen".
Bei den zurückgeholten deutschen Kindern handelt es sich nach Angaben des Auswärtigen Amts um Fälle, die als besonders schutzbedürftig eingestuft worden seien. Es seien Kinder mit Erkrankungen oder mit Sorgeberechtigten in Deutschland, sowie deren Geschwister und Mütter.
Zuerst hatte die "Bild"-Zeitung über die Rückholaktion berichtet. Demnach war am Mittwochmorgen ein Team des Auswärtigen Amts und des Bundeskriminalamts an Bord einer US-Militärmaschine auf einer Luftwaffenbasis in Nordsyrien gelandet. Von dort hätten die Beamten die bislang größte Rückführung von Deutschen aus Syrien gestartet.
Drei der Frauen wurden noch am Flughafen aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe festgenommen. Am Donnerstag setzte der Ermittlungsrichter die Haftbefehle in Vollzug. Den Tatverdächtigen Solale M., Romiena S. und Verena M. wird Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland, Entziehung Minderjähriger mit Gefährdung sowie Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vorgeworfen, wie die Bundesanwaltschaft mitteilte.
Alle drei sollen zwischen 2014 und 2015 mit ihren Kindern zumeist gegen den Willen der leiblichen Väter nach Syrien beziehungsweise in den Irak gereist sein, um sich dem IS anzuschließen. Dort sollen sie ihre Kinder "im Sinn der radikalislamistischen Lehre des IS" erzogen haben, wie die Bundesanwaltschaft weiter erklärte. Zwei von ihnen sollen - teils mehrfach - IS-Kämpfer geheiratet haben.
Romiena S. werde darüber hinaus die Unterstützung und Anwerbung von Mitgliedern für eine ausländische terroristische Vereinigung, die Billigung von Straftaten sowie Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Last gelegt. Sie soll unter anderem eine versklavte Jesidin überwacht und ihr Anweisungen erteilt haben. Verena M. wird der Besitz einer Kriegswaffe vorgeworfen, sie soll ein Sturmgewehr gehabt haben.
Gegen eine weitere Frau lag ein Haftbefehl des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vor, wie die dortige Generalstaatsanwaltschaft mitteilte. Die 33-Jährige soll 2014 aus Bremen nach Syrien gereist sein, sich dort dem IS angeschlossen und einen IS-Kämpfer geheiratet haben, der Menschen getötet haben soll. Unter anderem wird ihr vorgeworfen, Mitglied einer terroristischen Vereinigung im Ausland gewesen zu sein. Nach ihrer Festnahme sollte sie dem Untersuchungsrichter in Frankfurt vorgeführt werden.
Einen weiteren Haftbefehl hatte das Berliner Kammergericht ausgestellt. Die betroffene 30-jährige Rückkehrerin soll sich 2016 dem IS angeschlossen haben und zusammen mit einer Zweitfrau ihrem Mann, einem IS-Kämpfer, den Haushalt geführt haben, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft in Berlin. Ihre Kinder habe sie dabei offenbar den "desolaten Lebensbedingungen im Kriegsgebiet" ausgesetzt. Neben der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung werden ihr darum die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht vorgeworfen.
by Torsten Silz