190310:

"Pandora Papers" enthüllen heimliche Offshore-Geschäfte zahlreicher Politiker

Tschechiens Regierungschef und Putin-Vertraute sollen Geldflüsse verschleiert haben

Tschechiens Regierungschef, Zyperns Präsident und viele andere Entscheidungsträger - ein riesiges Datenleck enthüllt laut einem internationalen Recherchenetzwerk die heimlichen Geschäfte hunderter Politiker mit Briefkastenfirmen. Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) mit Medien wie der "Süddeutschen Zeitung" veröffentlichte am Sonntagabend einen Teil der Rechercheergebnisse zu den sogenannten "Pandora Papers" zur Verstrickung von mehr als 330 Politikern und Amtsträgern aus 91 Ländern. Ob die Geschäfte illegal sind, müssen allerdings die Behörden im Einzelfall prüfen.

An der Auswertung der "Pandora Papers" waren rund 600 Journalisten in 117 Ländern beteiligt. Nach Angaben des ICIJ wurden 11,9 Millionen geleakte Dokumente ausgewertet, "die jeden Winkel der Welt abdecken". In Deutschland beteiligten sich neben der "Süddeutschen" auch NDR und WDR an den monatelangen Recherchen.

Nach Angaben der Medien stammen die Daten - insgesamt knapp drei Terrabyte - von 14 Unternehmen, die Offshore-Konstrukte anbieten. Von den fast tausend Briefkastenfirmen wurden mehr als zwei Drittel auf den britischen Jungferninseln eingerichtet.

Laut NDR tauchten in den Unterlagen 35 amtierende und frühere Staatslenker auf. Der heutige tschechische Ministerpräsident Babis soll über Briefkastenfirmen im Jahr 2009 weitgehend anonym ein Landschloss in Südfrankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben. Für ihn ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung besonders brisant, weil in Tschechien am Freitag und Samstag ein neues Parlament gewählt wird.

Die "SZ" zitierte Kamil Kouba, einen ehemaligen tschechischen Ermittler im Bereich Finanzkriminalität, wonach es bei Babis' Kauf des Schlosses wohl "nicht um die Optimierung der Steuerpflicht oder den Schutz der Privatsphäre" gegangen sei. "Die Person, die hinter dem ganzen Plan steckt, hat eine falsche Geldquelle geschaffen, damit nie herausgefunden wird, woher das Geld tatsächlich stammt", sagte der Experte. "Das ist wie aus einem Lehrbuch für Geldwäsche."

In den Unterlagen sind den Recherchen zufolge auch zahlreiche Namen von engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin als Begünstigte von Briefkastenfirmen aufgeführt. Hier gehe es wohl in erster Linie darum, die Herkunft des oft immensen Reichtums der Offshore-Kunden zu verschleiern, schreibt die "SZ". Auch etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sowie Kenias Staatschef Uhuru Kenyatta tauchen als Nutzer von Offshore-Firmen auf.

Jordaniens König Abdullah II. soll laut den "Pandora Papers"-Recherchen mindestens rund 30 Offshore-Firmen in Steueroasen genutzt haben, um 14 Luxusanwesen in den USA und Großbritannien zu kaufen. Der Präsident des EU-Landes Zypern, Nikos Anastasiadis, war demnach selbst im Offshore-Geschäft tätig mit einer Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird.

Die "SZ" betonte, dass Geschäfte in Steueroasen nicht per se verboten sind und sehr viele bei den Recherchen zutage getretenen Geschäfte "absolut legal" zu sein scheinen. Illegal sei es aber etwa, wenn steuerpflichtige Einnahmen in Steueroasen dem heimischen Finanzamt nicht gemeldet werden.

In den Recherchen tauchten auch viele Prominente wie etwa das das deutsche Model Claudia Schiffer, Ex-Beatle Ringo Starr und Popstar Shakira auf. Schiffer und Shakira verwiesen laut "SZ" darauf, dass sie sich an sämtliche Gesetze und Vorschriften gehalten hätten. Ringo Starr antwortete demnach nicht auf eine Anfrage der Journalisten.

Die Regierung von Panama hatte bereits vor der Veröffentlichung der Pandora Papers vor schweren Schäden für das Image des Landes wie infolge der Panama Papers 2016 gewarnt. Damals hatte ein anonymer Whistleblower der "Süddeutschen Zeitung" mehr als elf Millionen interne Dokumente der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca zugespielt. Eine Auswertung mit dem ICIJ enthüllte ein ausgeklügeltes System zur globalen Steuervermeidung.

Nach der Veröffentlichung mussten etliche Politiker - darunter der damalige isländische Regierungschef Sigmundur Gunnlaugsson und der pakistanische Premierminister Nawaz Sharif - zurücktreten. Weltweit wurden tausende Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Der grüne Finanzpolitiker Sven Giegold kritisierte, die nach dem "Panama Papers"-Skandal ergriffenen politischen Konsequenzen reichten nicht aus. "Steuervermeidung und Geldwäsche florieren über Briefkastenfirmen trotz aller Skandale weiter", erklärte er.

by ANWAR AMRO