Nach den Enthüllungen über heimliche Briefkastenfirmen hunderter Politiker weltweit haben sich prominente Betroffene wie der tschechische Regierungschef Andrej Babis oder Jordaniens König Abdullah II. zu rechtfertigen versucht und die Berichte zurückgewiesen. Babis bezeichnete die Enthüllungen am Montag als Verleumdungsversuch vor der in wenigen Tagen anstehenden Parlamentswahl in Tschechien. Das jordanische Königshaus nannte die Informationen "verzerrt und übertrieben". Der Kreml wies Berichte über unerklärlich hohe Vermögen bei Vertrauten von Präsident Wladimir Putin als "unbegründete Behauptungen" zurück.
Das internationale Recherchenetzwerk ICIJ hatte die "Pandora Papers" am Sonntag veröffentlicht. Die Auswertung von knapp zwölf Millionen Dokumenten von Anbietern von Offshore-Finanzdienstleistungen belasten demnach mehr als 330 Politiker und Amtsträger weltweit, darunter 35 amtierende und frühere Staats- und Regierungschefs. Sie sollen über Briefkastenfirmen heimliche Geschäfte in beträchtlichem Umfang gemacht haben. Ob die Geschäfte illegal sind, müssen allerdings die Behörden im Einzelfall prüfen.
Der heutige tschechische Ministerpräsident Babis etwa soll 2009 anonym ein Landschloss in Südfrankreich für mehr als 15 Millionen Euro erstanden haben. Die "SZ" zitierte Kamil Kouba, einen ehemaligen tschechischen Ermittler im Bereich Finanzkriminalität, wonach es dabei wohl nicht um Steueroptimierung, sondern vielmehr um Verschleierung der Herkunft des Geldes ging: "Das ist wie aus einem Lehrbuch für Geldwäsche."
Für Babis ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung besonders brisant, weil in Tschechien am Freitag und Samstag ein neues Parlament gewählt wird. "Ich habe nie etwas Illegales oder Falsches getan", verteidigte er sich am Montag.
Russlands Präsident Wladimir Putin ist den Recherchen zufolge nicht als Kunde einer der Offshore-Anbieter aufgeführt, wohl aber zahlreiche seiner engen Vertrauten. Diese legten demnach gleichzeitig mit Putins politischem Aufstieg Geld zumeist ungeklärter Herkunft anonym in Steueroasen an. Kreml-Kritiker vermuten, sie seien mögliche "Strohmänner für Putins Vermögen".
Auffällig ist etwa der Fall von Swetlana Kriwonogich, mit der Putin laut unbestätigten Berichten eine Tochter haben soll. Die Frau aus einfachen Verhältnissen kam laut "SZ" nach der Geburt ihrer Tochter über Geld aus Briefkastenfirmen zu bedeutendem Reichtum. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies alle Bezüge zu Putin in den Recherchern als eine "Reihe völlig unbegründeter Behauptungen" zurück.
Jordaniens König Abdullah II. soll den Recherchen zufolge mindestens 30 Offshore-Firmen in Steueroasen genutzt haben, um 14 Luxusanwesen in den USA und Großbritannien zu kaufen. Das Königshaus in Amman gab an, es gehe lediglich um privates Vermögen des Staatschef. Die Verschleierung über Briefkastenfirmen habe der Sicherheit und Diskretion gedient.
Der Präsident des EU-Landes Zypern, Nikos Anastasiadis, war den Enthüllungen zufolge selbst im Offshore-Geschäft tätig mit einer Kanzlei, die mittlerweile von seinen Töchtern geführt wird. Für den ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj ergeben sich aus den Enthüllungen politisch unangenehme finanzielle Verbindungen zu umstrittenen Oligarchen.
Pikant dürften die Recherchen auch für Politiker und Entscheidungsträger sein, die sich gerne als Gegner von Steueroasen hinstellen - so wie der ehemalige britische Premier Tony Blair. Er hat nachweislich legal die Zahlung von Stempelsteuern für eine millionenschwere Immobilie in London vermieden, indem er und seine Frau einfach die Offshore-Firma kauften, der das Anwesen gehörte.
In den Recherchen tauchten auch viele Prominente wie das deutsche Top-Model Claudia Schiffer, Ex-Beatle Ringo Starr und Popstar Shakira auf. Schiffer und Shakira verwiesen laut "SZ" darauf, dass sie sich an sämtliche Gesetze und Vorschriften gehalten hätten.
Die Bundesregierung forderte anlässlich der "Pandora Papers" einen stärkeren Einsatz gegen Steueroasen. Eine Sprecherin des Finanzministeriums führte konkrete Fortschritte in Richtung einer internationalen Mindestbesteuerung von Unternehmen an. Die EU-Kommission in Brüssel verwies auf einen geplanten Gesetzesvorschlag gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung.
Hessens Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) bot Hilfe bei der Auswertung der Dokumente an. "Unsere Expertinnen und Experten stehen bereit", erklärte er.
by Von Thomas URBAIN