191547:

"Leib und Leben schützen": Kabinett beschließt Mandatsantrag für Kabul-Einsatz

Scharfe Kritik an Maas in Bundestags-Ausschuss

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Mandatsantrag für den bereits laufenden Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan beschlossen. Demnach können bis längstens zum 30. September maximal 600 Soldatinnen und Soldaten für die Mission eingesetzt werden. Die Kosten werden mit voraussichtlich 40 Millionen Euro angegeben.

Es komme "im Kern darauf an, Leib und Leben deutscher Staatsangehöriger und jenes Personals der internationalen Gemeinschaft sowie weiterer designierter Personen zu schützen, für welche Deutschland eine besondere Verantwortung trägt", heißt es in der vom Kabinett beschlossenen Vorlage.

Die normalerweise im Vorfeld erforderliche Zustimmung des Bundestages für den Einsatz soll dieses Mal nachträglich eingeholt werden. Begründet wird dies mit "Gefahr in Verzug" angesichts der schwierigen Sicherheitslage in Afghanistan nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban. Das Parlament dürfte sich in seiner ohnehin bereits wegen der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen geplanten Sondersitzung am Mittwoch kommender Woche mit dem Antrag befassen.

Als Ziel des Einsatzes wird in dem Kabinettsbeschluss die "militärische Evakuierung deutscher Staatsangehöriger aus Afghanistan" ausgegeben. Außerdem sollen "im Rahmen verfügbarer Kapazitäten" auch andere Ausländerinnen und Ausländer "sowie weitere designierte Personen, inklusive besonders schutzbedürftige Repräsentantinnen und Repräsentanten der afghanischen Zivilgesellschaft" ausgeflogen werden. Als völkerrechtliche Grundlage des Einsatzes wird die Zustimmung der inzwischen gestürzten afghanischen Regierung zum Einsatz deutscher Streitkräfte angegeben, die noch fortgelte.

Die Bundeswehr flog am Mittwoch 176 weitere Menschen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul aus. Sie wurden in die usbekische Hauptstadt Taschkent gebracht, von wo aus sie in Lufthansa-Maschinen nach Deutschland gebracht werden sollen. Seit der Einrichtung der Luftbrücke seien damit mehr als 400 gefährdete Menschen in Sicherheit gebracht worden, teilte das Bundesverteidigungsministerium mit. In der Nacht zu Mittwoch kam eine erste Lufthansa-Maschine mit 131 Menschen aus Taschkent kommend in Frankfurt an.

Der Auswärtige Ausschuss des Bundestages begann am Mittwoch mit der parlamentarischen Aufarbeitung der chaotisch angelaufenen Evakuierungsaktion. Der Ausschussvorsitzende Norbert Röttgen (CDU) sprach vor der Sitzung von einer "politischen Katastrophe". In Afghanistan sei vieles "nicht nur schief gegangen", sondern dort gebe es "ein menschliches Drama" und "ein moralisches Scheitern des Westens". Es seien weiterhin "viele Menschen in Kabul, gegenüber denen wir eine Verantwortung tragen, sie nach Deutschland in Sicherheit zu bringen".

In der Sitzung musste sich Außenminister Heiko Maas (SPD), dem schwere Versäumnisse bei der Rettung deutscher sowie afghanischer Bürgerinnen und Bürger gemacht werden, den Fragen der Abgeordneten stellen.

Kritisch äußerte sich vor Beginn der Sitzung auch der Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin. Es bestehe nun noch wenig Aussicht, diejenigen auszufliegen, "die uns über die Jahre geholfen haben", sagte Trittin. Die Verantwortung dafür trügen Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der vor allem das Signal habe senden wolle, "dass keine Menschen hierherkommen", und Außenminister Maas, der dafür "schönfärberische Berichte geliefert hat".

by Armando BABANI