Der Dalai Lama wird am 6. Juli 85 Jahre alt. Diesen Tag begeht er "wie immer", sagt Franz Alt, ein langjähriger enger Vertrauter des Dalai Lama, der mit ihm zusammen "Der Klima-Appell des Dalai Lama an die Welt" (Benevento) verfasst hat. "Er steht um drei Uhr morgens auf, meditiert vier Stunden, frühstückt und beginnt dann seinen Arbeitstag", erzählt der Journalist und Autor im Interview mit spot on news. Das religiöse Oberhaupt der Tibeter lebt in Nordindien, in Dharamsala, am Rande des Himalaya seit 60 Jahren im Exil. "Seit etwa einem Jahr unternimmt er mit Rücksicht auf sein Alter keine Interkontinentalreisen mehr. Gesundheitlich geht es ihm gut".
"Wenn seine Besucher nach seinem Befinden fragen, sagt er: 'Schauen Sie in mein Gesicht, es sieht noch genauso aus wie bei unserem letzten Treffen' ... und lacht sein weltberühmtes gurgelndes Dalai-Lama-Lachen!" Zu seinen engsten Vertrauten zählen laut Franz Alt "einige Mönche und sein Büroleiter. Er empfängt aber auch Besucher und Freunde aus der ganzen Welt".
Sind die Sorgen um die Gesundheit des Dalai Lama, über die es immer wieder Gerüchte gibt, unbegründet? "Sein Arzt hat ihm prophezeit, dass er 100 Jahre alt werden kann", so Alt. "Auf mich hat er, als wir uns 2018 zuletzt gesehen haben, einen gesunden Eindruck gemacht. Körperlich ist er etwas schwächer als noch vor zehn Jahren, aber geistig ist er voll da und hat seinen bekannten Humor nicht verloren."
Spekulationen ranken sich auch um die Nachfolge des 85-Jährigen. "Er wehrt sich gegen die Ankündigung der kommunistischen Partei Chinas, die Nachfolge des Dalai Lama selbst regeln zu wollen", sagt Alt: "Das muss man sich mal vorstellen: Eine atheistisch ausgerichtete Partei will über eine Wiedergeburt bestimmen. Ideologisch ein Treppenwitz. Die Antwort des Dalai Lama: Eher wird es keinen weiteren Dalai Lama geben. Der tibetische Exil-Premier Lobsang Sangay spottet: Das ist etwa so, als ob die kubanische Regierung über den nächsten Papst entscheiden wolle. Natürlich führt diese Situation immer wieder zu Spekulationen. Der Dalai Lama will seine Nachfolge in fünf Jahren selbst regeln. Schon vor 25 Jahren hat er mir gesagt, er könne sich auch eine Nachfolgerin vorstellen."
Franz Alt erklärt: "Es ist Tradition, dass der Vorgänger kurz vor seinem Tod erste Hinweise gibt. Eine Delegation von Mönchen, die dem Vorgänger nahestanden, trifft sich, analysiert etwa eine Woche lang gemeinsam ihre Träume und macht sich dann auf die Suche nach einem etwa zweijährigen Kind. Potentielle Kandidaten werden einem Test unterzogen, indem ihnen zum Beispiel persönliche Gegenstände des Vorgängers vorgelegt werden, die er oder sie unter anderen Gegenständen ausfindig machen muss. Der jetzige 14. Dalai Lama wurde im Alter von zwei Jahren entdeckt als Sohn von Analphabeten. Eine sehr gute Wahl!"
Wäre es theoretisch auch möglich, dass kein Nachfolger gefunden wird? "Das will der jetzige Dalai Lama mit seinen Beratern in fünf Jahren entscheiden. Er sagt: 'Wichtiger als die Institution des Dalai Lama ist der Wille des tibetischen Volkes'."
Sorgen bereitet dem Dalai Lama der Klimawandel, wie Alt weiter erzählt: "Er sieht aus seiner Residenz auf die Berge des Himalaya und hat die dortige dramatische Eisschmelze direkt vor Augen. Gletscherforscher sagen, dass die Eisschmelze heute dreimal schneller stattfindet, als sie es vor zehn Jahren noch erwartet hatten. Der Dalai Lama befürchtet, dass die großen Flüsse Asiens, die alle im Himalaya entspringen, immer weniger Wasser führen und es zu einem Wassernotstand für zwei Milliarden Menschen in Indien und in China kommt. Das könnte, so befürchtet er, sogar zu Kriegen um Wasser zwischen den beiden asiatischen Atommächten führen. Er sagt in unserem Buch: 'Die Klimaerhitzung ist die Überlebensfrage der Menschheit'."
Der Dalai Lama gilt als großer Uhren-Liebhaber. "Ich vermute, der Bergsteiger Heinrich Harrer, der während des zweiten Weltkriegs nach seiner englischen Gefangenschaft von Indien nach Tibet geflohen und mit dem Dalai Lama befreundet war, hat ihm eine Uhr geschenkt", so Alt. "Der neugierige Dalai Lama hat sie mehrmals auseinandergenommen und wieder zusammengebaut. Bis heute nimmt er gerne Uhren auseinander und freut sich wie ein Kind, wenn er sie wieder zusammen kriegt."