Zehn Tage nach der US-Präsidentschaftswahl hat der unterlegene Amtsinhaber Donald Trump erstmals ein Einlenken im Streit um den Wahlausgang angedeutet. Die "Zukunft" werde zeigen, wer das Land künftig regiere, sagte Trump am Freitag in einem Nebensatz. Wahlsieger Joe Biden wurden unterdessen auch im umkämpften Bundesstaat Georgia zum Gewinner ausgerufen, womit der Demokrat auf eine klare Mehrheit von 306 Wahlleuten kommt.
Trump äußerte sich am Freitag im Rosengarten des Weißen Hauses zu Corona-Impfstoffen - es war sein erster öffentlicher Auftritt seit der Ausrufung Bidens zum Wahlsieger am Samstag vergangener Woche.
"Diese Regierung wird nicht in einen Lockdown gehen", sagte Trump trotz stark steigender Corona-Zahlen - allein am Freitag zählte die Johns-Hopkins-Universität in den USA 188.858 Neuinfektionen und 1596 neu hinzugekommene Todesfälle. "Hoffentlich - was auch immer in der Zukunft passiert, wer weiß, welche Regierung es sein wird, ich denke, das wird die Zukunft zeigen - aber ich kann Ihnen sagen: Diese Regierung wird nicht in einen Lockdown gehen", fügte Trump hinzu.
Der Präsident räumte damit zwar weiterhin nicht seine Wahlniederlage ein. Er nahm aber nicht wie mehrfach zuvor einen Wahlsieg für sich in Anspruch. Fragen von Journalisten beantwortete der Amtsinhaber nicht.
Trump kündigte zudem an, an diesem Samstag vielleicht an Kundgebungen seiner Anhänger in der Hauptstadt Washington teilzunehmen. Er könnte "vorbeischauen und Hallo sagen", schrieb der Präsident im Onlinedienst Twitter. Zur Teilnahme an der Kundgebung riefen unterschiedliche Gruppierungen auf, unter ihnen auch Enrique Tarrio, Anführer der nationalistischen "Proud Boys", und die Gruppe "Frauen für Trump".
Trump hatte sich zuletzt am Donnerstag vergangener Woche vor Kameras geäußert. Zwei Tage später verkündeten die US-Sender den Sieg seines Herausforderers Biden, nachdem dieser den Schlüsselstaat Pennsylvania für sich entschieden hatte.
Am Freitag riefen die Fernsehsender CNN und ABC den früheren Vizepräsidenten nun auch im umkämpften Südstaat Georgia mit seinen 16 Wahlleuten zum Sieger aus. Damit kommt Biden auf 306 der landesweit 538 Wahlleute, für einen Wahlsieg brauchte er 270.
Zugleich erklärten CNN und ABC, Trump habe das ebenfalls umkämpfte North Carolina mit seinen 15 Wahlleuten für sich entschieden. Damit wurden in allen Bundesstaaten Sieger ausgerufen. Trump kommt auf insgesamt 232 Wahlleute.
Damit wird das Ergebnis der Präsidentschaftswahl 2016 genau umgekehrt: Damals hatte Trump 306 Wahlleute gewonnen, seine demokratische Rivalin Hillary Clinton 232 Wahlleute.
In Stein gemeißelt ist das diesjährige Ergebnis allerdings noch nicht: Die Bundesstaaten müssen die Ergebnisse noch bestätigen, die Wahlleute geben dann am 14. Dezember ihre Stimmen ab. In Georgia begann am Freitag wegen des engen Wahlausgangs eine Neuauszählung aller Stimmzettel. Biden hat dort aber mehr als 14.000 Stimmen Vorsprung. Es gilt als nahezu ausgeschlossen, dass sich das bei einer Neuauszählung grundlegend ändert.
Trump spricht seit Tagen ohne Belege von angeblichem Wahlbetrug und wirft den Demokraten vor, ihm die Wahl "stehlen" zu wollen. Bislang haben die Wahlbehörden in keinem einzigen US-Bundesstaat größere Unregelmäßigkeiten gemeldet. Am Donnerstag wiesen hochrangige Vertreter der US-Wahlbehörden Betrugsvorwürfe in einer gemeinsamen Erklärung entschieden zurück: Die Wahl am 3. November sei "die sicherste der amerikanischen Geschichte" gewesen.
Mit seiner Weigerung, das Ergebnis anzuerkennen, erschwert Trump Wahlsieger Biden die Vorbereitung der Amtsübernahme. Bislang arbeiten Regierung und Verwaltung nicht mit dem Übergangsteam des US-Demokraten zusammen, der am 20. Januar als neuer Präsident vereidigt werden soll.
by MANDEL NGAN