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"Charité"-Star Uwe Ochsenknecht: "Die Mauer war permanent präsent"

Verwandte in der DDR

Ein Teil der Familie des gebürtigen Hessen Uwe Ochsenknecht (65, "Das Boot") lebte in der damaligen DDR. Wie "extrem" der West-Ost-Kontakt in Zeiten der Berliner Mauer war, erzählt einer der Hauptdarsteller der 3. Staffel (dienstags, 20:15 Uhr, das Erste) der erfolgreichen historischen Krankenhausserie "Charité" im Interview mit der Nachrichtenagentur spot on news. Dabei verrät der Schauspieler und Musiker auch, was er an seiner Rolle des Gynäkologie-Professors Helmut Kraatz (1902-1983) besonders spannend findet.

Wie haben Sie sich auf die "Charité"-Dreharbeiten vorbereitet?

Uwe Ochsenknecht: Ich habe mir das Krankenhaus vor den Dreharbeiten angeschaut und mich mit einigen Menschen getroffen, die mir von dieser Zeit 1961 erzählen konnten. Das Hauptgelände ist aber so riesengroß, dass man Wochen darin verbringen kann. Und nicht zu vergessen die vielen weiteren Gebäude in der Stadt, die zur Charité gehören. Außerdem habe ich mich mit der turbulenten Geschichte des Krankenhauses befasst und mir auch die ersten beiden Staffeln angesehen. Am wichtigsten war mir aber, mich mit meiner Rolle und deren Geschichte zu befassen. Es gibt eine Biografie und einiges im Internet, was man über Prof. Helmut Kraatz lesen kann.

War Ihnen sein Name vorher ein Begriff?

Ochsenknecht: Nein, ich kannte ihn nicht. Aber natürlich waren mir Robert Koch [1843-1910, gespielt von Justus von Dohnányi, Red.] aus Staffel eins [2017] und Ferdinand Sauerbruch [1875-1951, gespielt von Ulrich Noethen] aus Staffel zwei [2019] schon ein Begriff.

Was ist für Sie das Spannende an Ihrer Rolle?

Ochsenknecht: Erstmal dass es ihn wirklich gab. Dadurch konnte ich viel über ihn recherchieren. Als die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland noch nicht so verfestigt war, war er schon in der DDR ein herausragender Gynäkologe. Außerdem war er der erste, der sich um Menschen gekümmert hat, die zweigeschlechtlich auf die Welt gekommen sind.

Wäre Gynäkologe eine berufliche Alternative zur Schauspielerei für Sie persönlich gewesen?

Ochsenknecht: Ich habe mich tatsächlich schon immer für Medizin interessiert. Seit meinem 15. Lebensjahr hat aber die Schauspielerei oberste Priorität und so ist es auch geblieben. Abgesehen davon wäre es wohl nicht gelungen, ohne Abitur Medizin zu studieren. Da ich aber bei vier Geburten dabei war, war eine gebärende Frau zu sehen, für mich nichts Neues.

Worum geht es bei Ihrer Figur in der Serie?

Ochsenknecht: Das Hauptthema ist der Kompetenzstreit zwischen dem Gynäkologie-Professor und der Leiterin der Kinderabteilung, Dr. Ingeborg Rapoport [1912-2017, gespielt von Nina Kunzendorf]. Sie kämpft dafür, dass die Kinderabteilung räumlich näher bei der Gynäkologie angesiedelt wird. Damit Kinder, die direkt nach der Geburt notärztliche Hilfe brauchen, schneller behandelt werden können.

Die Grenze zwischen der DDR und der Bundesrepublik verlief damals durch die Charité und trennte die Kinderabteilung von der Gynäkologie. Wenn mit einem Neugeborenen etwas war, mussten die Ärzte aus dem Gebäude und mit einem Krankenwagen durch den normalen Straßenverkehr zum anderen Gebäude in die Kinderabteilung gebracht werden. Wenn es um Leben und Tod ging und man dann im Stau stand, kann man sich denken, wie es war...

Die 3. Staffel spielt zur Zeit des Berliner Mauerbaus im Sommer 1961. Ihre Eltern sind 1951 von Saalfeld in Thüringen, damals DDR, nach Biblis in Hessen gezogen, wo Sie 1956 auf die Welt gekommen sind. War die Mauer bei Ihnen zuhause ein Thema?

Ochsenknecht: Die Mauer war permanent präsent. In der DDR haben ja alle meine Onkel, Tanten, Nichten und die Eltern meiner Mutter gewohnt. Wir haben oft Pakete geschickt und viele Wochen im Sommer dort verbracht. Ja, es war oft Thema und es sind auch oft Tränen geflossen bei meiner Mutter, die ihre Eltern und Geschwister sehr vermisste. Ganz am Anfang hatten wir auch kein Telefon und waren komplett auf Briefe angewiesen. Wir haben immer gehofft, dass die Briefe auch ankommen. Pakete kamen manchmal gar nicht an oder nur noch mit der Hälfte befüllt. Das war schon alles ziemlich extrem.

Haben Sie in der Familie den Mauerfall dann besonders gefeiert?

Ochsenknecht: Ja, das war auch noch zu Lebzeiten meiner Mutter, wie sie es sich immer gewünscht hatte. Ich bin mit ihr danach ziemlich bald nach Berlin gefahren und durch das Brandenburger Tor gelaufen. Das wollte sie immer noch erleben. Und das hat sie. Es war ein großes Glück für sie und für mich, dies mit ihr erleben zu können.

In der aktuellen "Charité"-Staffel geht es unter anderem um Kinderlähmung. "Eine Seuche in Westdeutschland", gegen die geimpft werden musste, wegen der Schulen geschlossen wurden etc. Das sind ja erstaunliche Parallele zu heute oder?

Ochsenknecht: Ja. Aber das wird es auch immer wieder geben: Viren, Mutationen, Impfungen, Krankheiten, die es auszumerzen gilt. Deswegen ist auch die Forschung in der Medizin so interessant, weil man immer wieder vor neue Herausforderungen gestellt wird. Das ist aber auch generell im Leben so. Man wird ja jeden Tag von neuem vor kleine und große Herausforderungen gestellt. Und wer das Leben liebt, der akzeptiert das und versteht, dass das zum Leben dazu gehört.

War Corona bei den Dreharbeiten schon ein Thema?

Ochsenknecht: Es war schon Thema und schwebte immer so ein bisschen über uns. Wir sind dann aber kurz vor dem ersten Lockdown mit den Dreharbeiten fertig geworden.

Haben Sie sich ein Souvenir vom Set mitgenommen? Machen Sie sowas überhaupt?

Ochsenknecht: Nein, sowas mache ich nicht. Ich halte nichts davon, zuhause mein eigenes Museum einzurichten. Ich habe aber viele Fotos gemacht, auch von den sehr liebevoll zusammengesuchten und hergestellten Requisiten. In einem stillegelegten ehemaligen Kloster hatten sie sogar einen Original-OP-Raum aus der damaligen Zeit eingerichtet. Es war unglaublich und macht dann natürlich noch mehr Spaß beim Spielen. Es ist wirklich Wahnsinn, was die Requisiteure, Kostüm- und Maskenbildner da geleistet haben. Auf diesem Wege nochmal 1000 Dank und meinen größten Respekt.