Schuldenbremse erneut aussetzen oder im kommenden Jahr massiv sparen: Die Ampel-Koalition sucht weiter nach einer Strategie, um das Milliardenloch im Haushalt 2024 wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu stopfen. Es beläuft sich laut SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert insgesamt auf 30 Milliarden Euro. Bei einem Koalitionsausschuss am Mittwochabend zeichnete sich noch keine gemeinsame Linie von SPD, Grünen und FDP ab.
Während in der "Ampel" SPD und Grüne für eine erneute Aussetzung der Schuldenbremse werben, stemmt sich dagegen die FDP. Finanzminister Christian Lindner (FDP) fordert Einsparungen statt eine erneute Umgehung der Schuldenregeln im Grundgesetz. Er schlug am Mittwochabend im ZDF vor, die Lücke durch Einsparungen zu schließen - etwa im Sozialbereich, bei den Ausgaben für die internationale Unterstützung und durch Subventionsabbau.
SPD-Generalsekretär Kühnert bestätigte am Donnerstag im ZDF die von Lindner genannte Lücke von 17 Milliarden Euro im eigentlichen Haushalt für das kommende Jahr. Hinzu kämen aber weitere 13 Milliarden Euro, die durch das Karlsruher Urteil im Klima- und Transformationsfonds (KTF) für 2024 fehlten.
Das Verfassungsgericht hatte die Aufstockung des Klimafonds mit ungenutzten Krediten aus Zeiten der Corona-Pandemie für unzulässig erklärt. Damit fehlen der Ampel-Koalition in den kommenden Jahren insgesamt 60 Milliarden Euro, die in Projekte der Energiewende fließen sollten.
Als Folge hat die Ampel-Regierung bereits beschlossen, die Schuldenbremse auch in diesem Jahr erneut auszusetzen. Am Freitag berät der Bundestag erstmals über den dazu vorgelegten Nachtragshaushalt 2023.
Die SPD will auch im kommenden Jahr eine Notlage erklären, um die Schuldenbremse auszusetzen, wie Kühnert bekräftigte. Er nannte als Grund die milliardenschweren Ausgaben wegen des Ukraine-Kriegs und seinen Folgen. Angestrebt wird laut dem SPD-Generalsekretär jedenfalls eine Verabschiedung des Haushalts noch in diesem Jahr.
Um nötige Fristen in Bundestag und Bundesrat einzuhalten, wäre dazu nach Angaben aus Koalitionskreisen eine Einigung bis Dienstag nötig. Theoretisch könnte der Haushalt 2024 aber auch erst im kommenden Jahr verabschiedet werden. Dann käme es zu einer vorläufigen Haushaltsführung mit entsprechenden Einschränkungen.
In der Debatte um mögliche Einsparungen kritisierte SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast Forderungen, ukrainischen Kriegsflüchtlingen das Bürgergeld zu streichen. Denn die bisher vom Bund getragenen Kosten blieben dann an den Bundesländern und Kommunen hängen, sagte sie dem "Tagesspiegel".
Die Grünen warnten vor Kürzungen bei Klimaprojekten. "Wir brauchen auch in der derzeitigen angespannten Haushaltslage Mut zu Investitionen in die klimaneutrale Modernisierung unserer Wirtschaft und sichere Arbeitsplätze", sagte Vize-Fraktionschefin Julia Verlinden der Nachrichtenagentur AFP. Sie forderte die Koalition auf, "auch klimaschädliche Subventionen jetzt zügig reduzieren - das spart Geld und schützt das Klima."
Linken-Chefin Janine Wissler kritisierte Lindners Vorhaben, bei Sozialleistungen zu sparen. "Wer jetzt lieber bei Bürgergeld und Kindergrundsicherung kürzen will, anstatt die unsinnige Schuldenbremse abzuschaffen und für Steuergerechtigkeit zu sorgen, macht Politik auf Kosten der Armen", erklärte sie. Investitionen für einen klimagerechten Umbau dürfen zudem nun "nicht aufgeschoben werden".
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte Bundesregierung und Opposition auf, gemeinsam die Schuldenbremse zu reformieren. "Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds befindet sich Deutschland in einer schweren Finanzkrise", zitierte die Funke Mediengruppe am Donnerstag aus einem Positionspapier. Es fordert demnach eine Ausnahme in der Schuldenbremse für Investitionen in Klimaschutz, Klimaanpassung und Infrastruktur.
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