In der Debatte um die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine erhöhen Verteidigungspolitiker aus der Ampel-Koalition den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). In einem gemeinsamen Brief forderten Abgeordnete von SPD, Grünen und FDP den Kanzler am Donnerstag auf, die Ukraine stärker als bisher bei der laufenden Gegenoffensive zu unterstützen und seinen Widerstand gegen die Lieferung von Taurus-Raketen aufzugeben; der Brief, der zugleich an Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) adressiert ist, liegt der Nachrichtenagentur AFP vor.
Unterschrieben ist er von der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dem Grünen-Abgeordneten Anton Hofreiter und dem SPD-Parlamentarier Andreas Schwarz. Der "Wir" hatte am Donnerstag als erstes über das Schreiben berichtet.
"Insbesondere benötigt die Ukraine das Marschflugkörpersystem Taurus, das in den Beständen der Bundeswehr vorhanden ist, um die russische Kriegslogistik gezielt zu schwächen", schreiben die drei Abgeordneten. Sie adressieren darin auch die vom Kanzleramt geäußerte Sorge, die Ukraine könnte mit den Lenkflugkörpern russisches Staatsgebiet angreifen.
"Vertreterinnen und Vertreter der ukrainischen Regierung haben uns teilweise in persönlichen Gesprächen zugesichert, dass dieses Waffensystem ausschließlich auf dem Territorium der Ukraine eingesetzt wird", schreiben Strack-Zimmermann, Schwarz und Hofreiter. "Wir sehen keinen Anlass, an dieser Zusage zu zweifeln."
Die Abgeordneten verweisen auf das für kommende Woche geplante Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Ramstein. Deutschland müsse "im Rahmen dieses Treffens weitere Unterstützung für den Verteidigungskampf der Ukraine gegen die Aggression der Russischen Föderation zusagen und liefern", schreiben sie. "Gerade vor dem Winter kann so die militärische Lage der Ukraine weiter verbessert werden."
Dazu müssten weitere Unterstützungsleistungen zählen - etwa in den Bereichen Luftabwehr, Munition, Lazarettmaterial und geschützte Fahrzeuge, "insbesondere auch Kampf- und Schützenpanzer", heißt es in dem Brief. Gebraucht würden zudem Ersatzteile für bereits gelieferte Systeme und Unterstützung bei der Reparatur dieser Systeme.
In dem Schreiben gehen die Abgeordneten auch auf die Möglichkeit einer diplomatischen Beilegung ein. "Wir sind der festen Überzeugung, dass dieser Krieg nur mit diplomatischen Mitteln beendet werden kann", schreiben sie. "Dafür muss die Ausgangsposition der Ukraine weiter verbessert werden."
Erst am Montag hatte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba anlässlich des Besuchs von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in Kiew die Bitte seines Landes um die deutschen Taurus-Marschflugkörper bekräftigt. "Ich verstehe nicht, warum wir Zeit verschwenden." Es gebe kein einziges objektives Argument, das gegen eine Lieferung spreche, sagte Kuleba.
Der Marschflugkörper Taurus wird von Kampfflugzeugen aus gestartet und kann mit seinem Jetantrieb mehr als 500 Kilometer weit fliegen. Die Ukraine argumentiert, sie benötige dieses System, um Logistik-Infrastruktur, Munitionsdepots und Stützpunkte in den von Russland besetzten Gebieten zu zerstören.
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