Rund ein Jahr nach dem Tod einer Radfahrerin bei einem Unfall mit einem Betonmischer in Berlin hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Fahrer des Lastwagens eingestellt. Den Mann treffen keine Schuld, erklärte die Behörde am Mittwoch in der Hauptstadt. Die Radfahrerin sei "direkt" vor seinem Fahrzeug plötzlich aus einem Fahrradweg auf die Straße eingeschert. Damit habe der Beschuldigte nicht rechnen können und müssen.
Laut Staatsanwaltschaft ergab das Expertengutachten zum Unfallablauf, dass die 44-jährige Radfahrerin den Betonmischer erst auf einem parallel zur Fahrbahn verlaufenden Radweg rechts überholt, dann kurz den linken Arm ausgestreckt hatte und unmittelbar vor dem Laster auf dessen Fahrstreifen gefahren war.
Der Fahrer konnte die Frau den Feststellungen zufolge zu diesem Zeitpunkt durch die Frontscheibe gar nicht sehen. Über seinen Frontspiegel wäre dies zwar möglich gewesen. Allerdings bestand für den Fahrer, der gerade ohne Abbiegeabsicht geradeaus fuhr, keine Verpflichtung, diesen zu benutzen. Er habe auch nicht damit rechnen müssen, dass die Radfahrerin bei ihrem Wechsel auf die Straße "keinen größeren Abstand" zu seinem Lastwagen einhalten würde.
Der zum Zeitpunkt des Unfalls 64-jährige Fahrer des Betonmischers habe daher weder sorgfaltswidrig gehandelt, noch habe er den Unfall vorhersehen müssen, stellte die Berliner Staatsanwaltschaft weiter fest. Das gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung geführte Ermittlungsverfahren wurde deshalb eingestellt.
Der tödliche Unfall vom 31. Oktober des vergangenen Jahres hatte aufgrund der Begleitumstände großes Aufsehen verursacht. Anfangs stand der Verdacht im Raum, die Rettung der Fahrradfahrerin wäre durch eine Protestaktion von Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation verzögert worden. Der Lastwagenfahrer wurde nach dem Unfall zudem von einem Obdachlosen mit einem Messer schwer verletzt.
Ermittlungen gegen die Klimaaktivisten stellte die Staatsanwaltschaft nach einer genauen Rekonstruktion der Abläufe im April ein. Demnach verzögerte ihre Aktion zwar das Eintreffen eines Rüstwagens und eines Einsatzleitwagens der Feuerwehr um mehrere Minuten. Dies war für die Rettung aber unerheblich, weil die Fahrzeuge zur optimalen Rettung und Versorgung nicht benötigt wurden. Außerdem wurde die Frau so schwer verletzt, dass sie ohnehin gestorben wäre.
Der Obdachlose wurde wegen seines Messerangriffs auf den Lastwagenfahrer im März vom Landgericht Berlin dauerhaft in eine Psychiatrie eingewiesen. Der unter einer unbehandelten paranoiden Schizophrenie leidende 48-Jährige wurde als schuldunfähig eingestuft. Er hatte seit längerem auf einer Mittelinsel der größeren Straße gelebt, auf welcher der Unfall passierte. So bekam er das Geschehen direkt mit und stufte es krankheitsbedingt als absichtlichen Angriff auf die Radfahrerin ein, wie er während seines Gerichtsverfahren selbst berichtete.
bro/cfm