Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Bürger und Politik aufgerufen, gemeinsam gegen den "erbärmlichen Frauenhass im Netz" einzutreten. "Solcher Hass ist unerträglich – und unerträglich heißt buchstäblich: Wir dürfen ihn nicht ertragen und nicht hinnehmen", sagte Steinmeier am Dienstag in Kassel. Bei einem Festakt anlässlich ihres 125. Geburtstags am Mittwoch würdigte der Bundespräsident die Kasseler Juristin und Politikerin Elisabeth Selbert, die 1949 den Satz "Männer und Frauen sind gleichberechtigt" ins Grundgesetz gebracht hatte.
"Dieser klare Satz verpflichtet uns bis heute, alles dafür zu tun, dass Männer und Frauen nicht nur auf dem Papier, sondern im wirklichen Leben gleiche Rechte und Chancen haben", sagte Steinmeier laut Redemanuskript. Für Selbert sei die Verankerung des Gleichberechtigungssatzes im Grundgesetz "die Sternstunde ihres Lebens" gewesen, für Deutschland "ein revolutionärer Moment". Inzwischen sei viel erreicht, aber es bleibe noch viel zu tun. "Das große Ziel, für das Elisabeth Selbert ihr Leben lang gekämpft hat, dieses Ziel bleibt Orientierung für die Gesellschaft und Auftrag für die Politik."
Steinmeier betonte, dass das Erreichte "nicht unumkehrbar" sei. So sei in den vergangenen Jahren "der Anteil von Frauen in manchen Parlamenten erstmals seit Langem wieder zurückgegangen". Nun berichteten Politikerinnen vor den Wahlen, "dass ihnen tagtäglich sexualisierter Hass und frauenfeindliche Hetze entgegenschlagen, vor allem im Netz". Es sei Aufgabe von Männern und Frauen gleichermaßen, dagegen anzugehen, betonte der Bundespräsident. "Wir dürfen nicht zulassen, dass Frauen sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen oder sich gar nicht mehr hineinwagen, weil sie angefeindet und bedroht werden."
Vor dem Festakt hatte Steinmeier das Archiv der deutschen Frauenbewegung in Kassel besucht, die auch den Nachlass Selberts verwahrt. Es sei wichtig, "die Erinnerung an diese Hälfte unserer Demokratiegeschichte wachzuhalten", sagte der Bundespräsident. "Kein Menschenrecht, kein Bürgerrecht ist nur einer Hälfte der Menschheit vorbehalten."
by Filippo MONTEFORTE