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SPD will noch in dieser Woche Sondierungen mit Grünen und FDP beginnen

Mützenich und Habeck wollen diskret verhandeln und kein "Schauspiel" wie 2017

Die SPD will bereits in dieser Woche Sondierungsgespräche mit Grünen und FDP für eine Ampel-Koalition aufnehmen. Eine entsprechende Einladung ging am Montag an die beiden Parteien, wie SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich am Dienstag in Berlin sagte. Ebenso wie der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck und zuvor FDP-Chef Christian Lindner betonte Mützenich, die Gespräche sollten anders als bei den gescheiterten Jamaika-Sondierungen von 2017 vertraulich ablaufen.

"Es geht darum, dass wir konzentriert in die Gespräche gehen", sagte Mützenich vor der ersten Sitzung der neuen SPD-Bundestagsfraktion. Mit Blick auf die 2017 gescheiterten Jamaika-Gespräche unter Führung der Union sagte Mützenich an die Adresse von Grünen und FDP: "Beide Parteien müssen sich klar darüber werden, dass das Schauspiel, das sie vor vier Jahren hier manchmal auf Balkonen absolviert haben, nicht den Aufgaben gerecht wird."

Das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen im Jahr 2017 war auch darauf zurückgeführt worden, dass fortlaufend Informationen aus den Gesprächen in die Öffentlichkeit gelangt waren. Zudem hatten sich die Verhandler in den Sitzungspausen häufig auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft gegenüber dem Reichstagsgebäude gezeigt.

Grüne und FDP hatten angekündigt, sie wollten zunächst untereinander Gespräche führen, um Gemeinsamkeiten auszuloten. Nach Angaben des "Wir" soll dies am Mittwoch starten. Eine FDP-Parteisprecherin teilte am Dienstag lediglich mit, die Gespräche sollten "zeitnah" stattfinden. "Über alles andere wurde Vertraulichkeit vereinbart." Auch die Grünen machten dazu keine Angaben.

Habeck mahnte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" an, die Gespräche über eine neue Bundesregierung sollten so diskret wie möglich ablaufen. Auch auf "Balkonfotos" solle verzichtet werden. "Das ist eine Lehre aus den gescheiterten Jamaika-Verhandlungen von 2017 und umgekehrt aus den erfolgreichen Gesprächen in Schleswig-Holstein", sagte er.

Zu dem von SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz formulierten Ziel, die Verhandlungen noch in diesem Jahr abzuschließen, sagte Habeck: "Ich teile den Ehrgeiz, bis Weihnachten eine Regierung zu haben."

Die Spitze der Grünen-Bundestagsfraktion zeigte sich zuversichtlich, dass eine Ampel-Koalition mit SPD und FDP gelingt. Zwar gebe es zwischen Grünen und Liberalen Unterschiede in Fragen der Ordnungs- und Steuerpolitik, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Es gebe aber auch Gemeinsamkeiten, etwa in der Bürgerrechtspolitik. Ko-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, FDP und Grüne sollten sich nicht an ihren Unterschieden messen. Vielmehr solle nach Übereinstimmungen gesucht werden: "Es geht um ein gemeinsames Ganzes."

Die möglicherweise vorzeitig getroffene Festlegung von Regierungsposten bei den Grünen sorgte derweil für Unmut im linken Parteiflügel. "Das entscheidet die Partei und nicht nur zwei Personen in persönlichen Gesprächen", sagte der frühere Umweltminister und Parteilinke Jürgen Trittin dem "Wir" mit Blick auf die Parteichefs Annalena Baerbock und Habeck.

Seine Partei verhandele "eine Regierung, die Deutschland auf den 1,5-Grad-Pfad bringt", sagte Trittin und fügte hinzu: "Danach wird entschieden, wer welchen Posten bekommt."

Der Bundessprecher der Grünen Jugend, Georg Kurz, nannte es "absolut daneben, jetzt darüber zu diskutieren, wer am Ende des Prozesses irgendwann welche Regierungsämter übernehmen könnte". Um die Vizekanzlerschaft "geht es gerade gar nicht. Wir verstehen überhaupt nicht, was das soll", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung".

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hatte zuvor berichtet, Habeck solle gemäß einer internen Absprache in einer möglichen Regierung den Posten des Vizekanzlers übernehmen. Darauf hätten sich die Grünen-Chefs aber nicht erst in der Wahlnacht verständigt. Sie hätten bereits vor längerer Zeit abgesprochen, sich nach einem schlechten Wahlergebnis personell neu sortieren zu wollen. Habeck hatte Baerbock im Frühjahr bei der Kanzlerkandidatur den Vortritt gelassen.

by Tobias Schwarz