Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat angesichts der Bauernproteste die Ampel-Koalition und die Union dazu aufgerufen, eine "Landwirtschaftspolitik mit breiten Mehrheiten" zu gestalten. Nicht allein die geplanten Kürzungen von Agrarsubventionen hätten den Zorn der Landwirte ausgelöst, sondern dass "jahrzehntelang den Bauern Dinge versprochen wurden von wechselnden Regierungen, die nur zum Teil oder gar nicht gehalten worden sind", sagte Özdemir am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin".
"Der Karren ist so tief im Dreck, dass wir alle miteinander arbeiten sollten", um ihn dort herauszuholen, sagte Özdemir weiter. Er habe seit seinem Amtsantritt vor rund zwei Jahren gemacht, "was ich kann". Er zählte das staatliche Tierhaltungskennzeichen, eine Änderung im Baugesetzbuch und im Immissionsschutzgesetz auf, die den Neu- und Umbau tiergerechter Ställe erleichtern sollen. Er habe "eine Milliarde Euro mobilisiert allein für die Schweinehalter". Doch "jetzt komme ich an den Punkt, wo ich allein nicht weiter kann". Jetzt brauche es den Konsens der "Ampel", aber auch der "größten Oppositionspartei".
Mit den Protesten machten nicht nur die Bauern, sondern der ländliche Raum "uns Städtern" deutlich, "so können wir nicht weitermachen", sagte der Minister im ZDF. Die "gelb-rote Karte, die uns die Bauern zeigen", sei vielleicht auch die Gelegenheit, jetzt Probleme anzupacken und zu lösen.
Özdemir mahnte: "Wenn wir so weitermachen, gehen wir in die Geschichte ein als eine Regierung, die viele Dinge sehr gut macht, es aber schafft, dass der Streit alles überlagert." Es sei jetzt Zeit, den Blick nach vorne zu richten und aufzuhören, "uns gegenseitig zu lähmen".
Die Bundesregierung hatte Mitte Dezember im Zuge ihrer Haushaltseinigung unter anderem einen Wegfall der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Maschinen angekündigt. Zwar ist diese Subventionskürzung inzwischen wieder vom Tisch - weiterhin geplant ist aber eine schrittweise Abschaffung der Steuerbegünstigung beim Agrardiesel.
Der Deutsche Bauernverband hat deshalb zu einer Protestwoche aufgerufen, die am Montag begonnen hatte. Mit Trecker-Konvois und Blockadeaktionen machen Landwirtinnen und Landwirte seitdem bundesweit ihrem Unmut Luft.
Am kommenden Montag ist eine Großdemonstration in Berlin geplant. Mehrere Branchen wie die Fischerei und der Transportbereich haben sich angeschlossen. Auch der Gaststättenverband Dehoga ist dabei. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will bei der Kundgebung am Brandenburger Tor laut Medienbericht eine Rede halten.
ilo/cha