Die Unterstützer des russischen Kreml-Kritikers Alexej Nawlany haben nach eigenen Angaben Hinweise darauf, dass der 44-Jährige in seinem Hotelzimmer im sibirischen Tomsk vergiftet wurde. An einer Wasserflasche aus dem Hotelzimmer hätten sich Spuren des Nervengifts Nowitschok befunden, berichtete Nawalnys Team am Donnerstag im Online-Dienst Instagram. Die Spuren seien zwei Wochen nach dem Fund von einem deutschen Labor nachgewiesen worden.
Nawalny war am 20. August auf einem Flug vom sibirischen Tomsk nach Moskau ins Koma gefallen. Zunächst wurde der Gegner von Staatschef Wladimir Putin nach einer Notlandung in einem Krankenhaus in Omsk behandelt, zwei Tage später wurde er zur Behandlung in die Berliner Charité gebracht.
Nachdem der 44-Jährige ins Koma gefallen war, hätten Mitarbeiter seines Teams entschieden, "alles mitzunehmen, was möglicherweise nützlich sein könnte, und es den Ärzten in Deutschland zu übergeben", hieß es weiter in der Instagram-Mitteilung. Es sei "ziemlich offensichtlich" gewesen, dass der Fall in Russland nicht untersucht werden würde. Zunächst hatten Nawalnys Mitstreiter vermutet, dass er durch einen Tee am Flughafen von Tomsk vergiftet worden sein könnte.
Nawalny ist inzwischen wieder bei Bewusstsein und auf dem Weg der Besserung. Nach Angaben der Bundesregierung wurde der Oppositionelle "zweifelsfrei" mit einem chemischen Nervenkampfstoff aus der Nowitschok-Gruppe vergiftet, die in der früheren Sowjetunion entwickelt worden war. Die Bundesregierung stützt sich auf die Analyse-Ergebnisse eines Bundeswehr-Speziallabors; Labore in Frankreich und Schweden bestätigten den Befund.
Die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) kündigte am Donnerstag an, die Ergebnisse eigener Labor-Untersuchungen von bei Nawalny entnommenen Proben würden in Kürze vorgelegt. Experten der Organisation waren demnach für die Entnahme der Proben nach Deutschland gereist.
Sollte auch die Organisation mit Sitz in Den Haag die Nowitschok-Analyse bestätigen, könnte die Bundesregierung die OPCW auffordern, auf Grundlage ihres 2018 erweiterten Mandats die Verantwortlichen für den Einsatz des Nervenkampfstoffs zu ermitteln.
Die Mitgliedstaaten der OPCW hatten vor zwei Jahren gegen den Widerstand Moskaus entschieden, dass die Organisation künftig auch Schuldige für Chemiewaffeneinsätze benennen darf und nicht mehr darauf beschränkt bleibt, den Einsatz solcher Kampfstoffe lediglich zu dokumentieren.
Moskau weist den Verdacht zurück, staatliche russische Stellen könnten Nawalny gezielt vergiftet haben und betont, die Ärzte in Omsk hätten keine Spuren von Gift bei ihm gefunden. Der Fall hat für erheblichen Spannungen zwischen Berlin und Moskau gesorgt.
Das Europaparlament forderte am Donnerstag rasche Sanktionen gegen Russland. Die versuchte Ermordung Nawalnys sei "Teil systematischer Versuche", Kritiker in Russland "zum Schweigen zu bringen", hieß es in einer Entschließung der Abgeordneten in Brüssel.
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins "Der Wir" wurde ein weiterer russischer Kreml-Kritiker, der Journalist Jegor Schukow, Ende August in Moskau zusammengeschlagen. Schukow sagte dem Magazin, er wolle sich von dem Angriff vor seinem Wohnhaus nicht einschüchtern lassen.
Er verstehe, dass er Angst um sein Leben haben müsse, wolle seine politische Arbeit aber dennoch fortsetzen. Solange die Regierung von Präsident Putin an der Macht sei, habe er keine Hoffnung, dass die Auftraggeber gefunden würden.
by Handout