Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Israel die weitere Unterstützung Deutschlands in Sicherheitsfragen zugesichert. Deutschland sei in dieser Frage "nicht neutral", sagte Merkel am Sonntag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Regierungschef Naftali Bennett. "Die Sicherheit Israels ist Teil unserer Staatsräson. Und demnach müssen wir auch handeln, selbst wenn wir unterschiedlicher Meinung in verschiedenen Einzelfragen sind." Bennett würdige Merkel als "moralischen Kompass" für ganz Europa.
Sie selbst habe die Sicherheit Israels "immer zu einem zentralen Punkt gemacht", sagte Merkel bei ihrem achten und voraussichtlich letzten Israel-Besuch als Kanzlerin. Zentral sei für sie dabei die Vision "eines sicheren, jüdischen, demokratischen Staates Israel", der eine "klare, sichere Perspektive in der Region hat". Auch für jede künftige Regierung werde die Sicherheit Israels immer ein "zentrales" Thema bleiben, betonte Merkel.
Bennett pflichtete sie in der Feststellung bei, dass "die Umgebung von Israel eben alles andere als demokratisch" sei. Vom Iran gehe eine immense Bedrohung für Israel aus. "Wenn der Iran die Vernichtung Israels in seinem Programm hat, kann man darüber nicht einfach hinwegsehen, sondern muss das ernstnehmen."
Merkel bekräftigte zugleich das deutsche Bekenntnis zu einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt. Auch wenn es zur Zeit "nahezu aussichtslos" erscheine, sei sie dagegen, die Idee einer Zwei-Staaten-Lösung "zu Grabe zu tragen".
Die Kanzlerin hatte die Sicherheit Israels bereits in ihrer historischen Rede vor der Knesset im Jahr 2008 zur "deutschen Staatsräson" erklärt und dafür in Israel parteiübergreifend Beifall bekommen. Am Sonntag nahm Merkel als erste deutsche Regierungschefin an einer israelischen Kabinettssitzung teil.
Die Teilnahme an der Sondersitzung des Kabinetts sei für sie ein "berührendes Ereignis", sagte Merkel. Dass es gelungen sei, nach der Shoa solche Beziehungen zwischen Deutschland und Israel aufzubauen, sei ein "Glücksfall der Geschichte" und ein "Schatz", den es zu pflegen gelte.
Bennett dankte Merkel für ihre "entschiedene Unterstützung für Israel". Die Beziehungen zwischen Israel und Deutschland seien "nie stärker" gewesen als derzeit. Die Kanzlerin sei ein "moralischer Kompass" für ganz Europa.
Bennett führt seit Juni ein breites Regierungsbündnis in Israel an. Der religiös-nationalistische Politiker steht der Siedlerbewegung nahe und gilt als Gegner einer Zwei-Staaten-Lösung im Nahost-Konflikt. Das von Deutschland unterstützte Atomabkommen mit dem Iran lehnt er ab.
Der Regionaldirektor der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch für Israel und die palästinensischen Gebiete, Omar Shakir, kritisierte, dass Merkel die israelische Besatzungspolitik als "vorübergehend" betrachte. Dies sei eine "Fiktion". "Die neue deutsche Regierung sollte die Menschenrechte ins Zentrum ihrer Politik gegenüber Israel und Palästina rücken", forderte er. Im Westjordanland und in Ost-Jerusalem leben mehr als 600.000 israelische Siedler. Die UNO kritisiert die Siedlungen als völkerrechtswidrig.
Merkel hält sich seit Samstag zu einem dreitägigen Arbeitsbesuch in Israel auf. Die Reise Merkels war ursprünglich für Ende August geplant, wegen der Krise in Afghanistan nach der Machtübernahme der Taliban aber verschoben worden.
Für Merkel steht am Sonntag auch ein Treffen mit Israels Präsident Isaac Herzog auf dem Programm. In Begleitung Bennetts besucht Merkel am Nachmittag außerdem die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem. Anschließend erhält sie die Ehrendoktorwürde des Haifa Technion - Israel Institute of Technology.
by Von Daniella CHESLOW